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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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die Achillessehne).
    »Aaa!«, schrie Max auf und hockte sich hin, um an den Kopf des wild gewordenen Angreifers zu kommen.
    Nicki spuckte mit dem Blut auch ein Stückchen Leder und Fäden aus, schlug blindlings um sich und bekam etwas zu packen. Es war der Hemdkragen. Da drehte Fandorin sich mit seinem langen Körper in einer undenkbaren Schraube, die sämtlichen Gesetzen der Anatomie widersprach, und zerrte Max mit aller Kraft auf sich zu.
    Der Bewacher verlor das Gleichgewicht, und seine Stirn schlug mit einem dumpfen Knall auf das Parkett; da verkrallte sich Nicholas auch mit der anderen Hand in den Kragen, aber nicht von unten, sondern von oben, und donnerte außer Sinnen den Kopf des Feindes gegen den Boden.
    Bum! Bum! Bum!
    Beim vierten oder fünften Schlag erschlaffte Max und sackte zur Seite, aber Nicholas verstand nicht sofort, dass der Kampf aus war. Er schüttelte den besinnungslosen Körper immer weiter und konnte nicht damit aufhören.
    Er kam erst wieder zu sich, als er einen verzweifelten Schrei hörte, der von der Tür kam:
    »Ihr Schweine! Ihr Schweine! Was macht ihr da mit ihm?!«
    »Alles in Ordnung, Mira, alles in Ordnung«, krächzte Fandorin, der sich entgeistert und ungläubig das Werk seiner Hände besah: ein regloser Mann, unter dessen Gesicht zwei Blutzungen hervorschnellten.
    Er stellte sich auf die Füße, wollte entsetzt dem roten Strom aus-weichen, der sich seinem Schuh näherte, kam mit den Armen ins Rudern und sah, dass seine Hände ebenfalls blutüberströmt waren.
    Hinten hörte man lautes Klatschen. Das war Jeanne, die applaudierte.
    »Ein seltenes Schauspiel«, sagte sie und zog dabei aus irgendeinem Grund ihr Jackett aus. »Dass der Stier den Torero auf die Hörner nimmt. Ich habe gelesen, dass man solchen heldenhaften Stieren ein Denkmal errichtet. Aber die Corrida ist noch nicht zu Ende. In die Arena des nördlichen Bezirks der Hauptstadt zieht zum ersten Mal eine Frau ein: die Matadorin Jeanne Bogomolowa.«
    Sie hob die Hand zum Gruß wie ein Matador, schleuderte ihre hochhackigen Pumps einen nach dem anderen zur Seite, zog am Reißverschluss und warf auch ihren Rock beiseite. Zuletzt hatte sie nur noch eine schwarze Strumpfhose und eine Seidenbluse an.
    »Na, Sie Champion im Wrestling«, sagte Jeanne und lockte ihn näher zu sich heran. »Jetzt geht es darum, eine schwache Frau zu bezwingen. Wenn es Ihnen gelingt, lasse ich sowohl Sie selber wie das kleine Waisenkind frei. Ein lohnender Preis, das müssen Sie doch zugeben!«
    Der Anfall von Wahnsinn, der den Cambridge-Absolventen, Familienvater und überzeugten Gegner von Gewalt für einen Augenblick in ein wildes Tier verwandelt hatte, war vorbei. Nicholas streckte ungeschickt die Arme vor, nicht um zu ringen, sondern um sich vor einem Schlag zu schützen. Jeanne dagegen beugte die Knie leicht, senkte den Kopf und war nun mehr als einen halben Meter kleiner als ihr Gegenüber.
    Anatoli die Plattnase beobachtete die sensationelle Szene und spielte mit seinem Messer. Sein stumpfsinniges Gesicht zeigte kein Gefühl: keine Aufregung, ja noch nicht einmal Neugier.
    »Hören Sie«, setzte Nicholas an und stockte, weil er einen Tritt gegen die Schulter bekommen hatte.
    Er wollte die schmerzende Stelle untersuchen, aber da hatte ihm die wie ein Luchs schnelle Gegnerin schon einen Tritt auf der anderen Seite verpasst: unter dem Knie.
    Fandorin fiel hin. Kaum war er wieder auf den Beinen, da bekam er schon einen neuen Tritt, diesmal gegen die Stirn.
    Er schlug mit dem Hinterkopf gegen das Schuhregal, einen Augenblick lang wurde ihm schwarz vor Augen.
    Er rappelte sich irgendwie hoch und drückte sich mit dem Rücken in die Kleidung, die an der Garderobe hing.
    »Na, komm schon, komm«, lockte ihn Jeanne näher zu sich heran. »Nimm mich auf die Hörner, du kleiner Stier, wie den armen Max.«
    Sie streckte die Hand aus, um Nicholas am Schoß seines Jacketts zu packen. Er wollte die schmale, schnelle Hand wegstoßen, griff aber ins Leere. Ihre lackierten Finger hatten ihn fest an der Nase gepackt und zogen ihn nach unten, so dass der Magister sich bis zum Zerreißen bog.
    Mit der anderen Hand fasste Jeanne ihn am Hosengürtel, riss ihn in die Höhe und schleuderte ihn durch die Gegend, so dass er auf dem Bauch landete.
    Er stieß sich Ellenbogen und Knie, drehte sich auf den Rücken, kam aber nicht mehr hoch. Ihr kleiner Fuß drückte ihn gegen das Parkett, unter der stählernen Ferse konnte er sich nicht mehr rühren.
    Wie die Katze

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