Der Favorit der Zarin
Die ist ja schließlich kein Phantasiegebilde, sondern es gibt sie wirklich! Und Ihre Seele, die sagt Ihnen, was Sie tun können und was auf keinen Fall. Natürlich hören Sie nicht immer auf sie, aber jedes Mal, wenn Sie ihr zuwiderhandeln, dann fühlen Sie sich hinterher schlecht. Stimmt’s?«
Verflucht! Schon wieder klingelte das Telefon! Genau zum falschen Zeitpunkt!
»Ja . . . Sofort.« Max schnippte mit den Fingern und bat Plattnase: »Anatoli, guck mal, ob das Bad schallisoliert ist oder nicht. . . Gleich, Jeanne . . . Ja, sie sind beide zu sich gekommen.«
Plattnase verschwand für weniger als zehn Sekunden, kehrte zurück und nickte.
»Ja, es ist isoliert«, sagte Max in den Hörer, und das Gespräch war beendet.
Er steckte das Handy in die Tasche und erklärte:
»Sie steht an der Ampel, hat schon die Petrowsko-Rasumowskoje überquert. Die hat vielleicht einen Zahn drauf!«
»Sie wissen ja genau, wofür Sie das braucht«, fuhr Nicholas noch schneller fort. »Sie will das Mädchen foltern. Und das noch nicht einmal, um eine Information aus ihr herauszupressen. Was kann man schon von einem Kind für eine Information bekommen? Nein, Ihre Chefin will einfach ihre Wut an ihr auslassen. Vielleicht sieht das im Moment für Sie so aus, dass das nur ein unangenehmer Zwischenfall und nicht mehr ist. Aber Monate und Jahre werden vergehen, und diese schreckliche Tat wird wie ein Stein auf Ihrem Gewissen lasten. Sie werden die Schreie hören und das schmerzverzerrte Gesicht dieses unschuldigen Mädchens sehen. Sie werden das nicht vergessen können!«
Wieder klingelte das Telefon.
»Ja . . . Gleich . . . – Anatoli, guck mal, ob da eine Steckdose ist.«
»Ja, ich habe darauf geachtet«, sagte Plattnase und machte zum ersten Mal seinen Mund auf.
»Ja, ist da«, gab Max weiter. »Wo sind Sie? Gut.«
Er legte das Handy auf den Tisch.
»Sie ist schon in die Kimrinskaja eingebogen. Sie kommt gleich. Sie rast wie der Teufel! Tut mir Leid, Nikolaj Alexandrowitsch. Wirklich, aber . . .«
»Es geht nicht um Mitleid mit mir!«, unterbrach ihn Nicki. »Und auch nicht mit dem Mädchen. Haben Sie Mitleid mit sich selber! Wenn Ihnen nur ein Minimum an Seele geblieben ist, dann werden Sie sich hinterher vor Kummer umbringen.«
»Nein, geht nicht. Und hören Sie auf mit Ihrer Propaganda, sonst ziehe ich Ihnen Handschellen an und klebe Ihnen den Mund zu.« Max stand auf und rasselte demonstrativ mit den an seinem Gürtel hängenden Handschellen. »Wenn Jeanne es befiehlt, nehme ich persönlich die Säge und mache aus Ihnen Boeuf Stroganoff, egal, wie ich zu Ihnen stehe. Ich bin keine Heulsuse, sondern ein Profi, ist das klar? Sie sollten sich lieber das mit dem Liquosol überlegen, bevor es zu spät ist.«
In der Diele hörte man das Klirren eines Schlüssels. Nicholas hatte noch nie in seinem Leben etwas Schrecklicheres als dieses so alltägliche, friedliche, häusliche Geräusch gehört.
»Nun ist es zu spät«, sagte Max achselzuckend. »Anatoli, lass ihn nicht aus den Augen.«
Und er ging in die Diele.
Jeanne kam in das Zimmer gestürmt wie ein Wirbelwind. Die Haare der neuen Medusa standen vom Kopf ab und wanden sich wie schwarze Schlangen, ihr Gesicht war wutverzerrt, und die Pupillen hatten sich zu winzigen Punkten verengt. Sie hat sich mit Kokain voll gepumpt, dachte Nicholas, und drückte sich an die Wand.
Er hatte damit gerechnet, die blutrünstige Rächerin würde sich sofort auf ihr Opfer stürzen, es umwerfen, sich in seine Kehle verkrallen oder schießen, aber Jeanne würdigte ihn keines Blickes. Sie blieb stehen und sagte langsam, fast ein wenig unnatürlich:
»Heute ist der Tag meiner Schande. Mein Ruf ist hin, es wird lange dauern, bis ich ihn wiederhergestellt habe. Aber keine Angst, ich habe schon eine Idee, wie ich aus dieser Niederlage einen Vorteil schlagen kann. Ich habe mir etwas ausgedacht, da wird man hinterher Schauermärchen erzählen, und kein Mensch wird es wagen, mich nicht ernst zu nehmen.«
»Was sollen wir machen?«, fragte Max nervös. »Sag Bescheid.«
Sie deutete Richtung Diele und sagte:
»Da in der Tasche habe ich einen Kassettenrekorder. Ich werde das Mädchen im Badezimmer bearbeiten und alles aufnehmen. Dann schicke ich dem Kurzen die Kassette. Ich wollte zuerst einen Videofilm machen, aber Audio ist besser. Das kann man übers Telefon und sein Büronetz laufen lassen, überall. Dieser Schweinehund wird eine höllische Angst vor jedem technischen Gerät kriegen! Egal,
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