Der Favorit der Zarin
mit der Maus, ging es dem hoffnungslos unterlegenen Nicholas durch den Kopf. Er hatte keine Kraft mehr in den Händen.
»Der Stier liegt am Boden«, erklärte Jeanne. »Achtung! Der finale Schlag.«
Sie setzte sich auf die Brust des Besiegten, beugte sich zu ihm herab und flüsterte:
»Jetzt stirbst du. Ich gebe dir einen Kuss, und dann stirbst du.«
Er spürte die eisigen Finger des Vamps an seiner Kehle, und direkt über sich sah er die zwei wild funkelnden Augen mit den heimtückischen schwarzen Pünktchen in der Mitte.
Krächzend sagte er:
»Ich würde die umgekehrte Reihenfolge vorziehen.«
Das war natürlich nicht gerade ein besonders gelungener Witz, selbst wenn man die extremen Umstände berücksichtigte, aber Jeanne reagierte darauf irgendwie mit einer unbändigen Fröhlichkeit.
Die Frau stieß einen kehligen, glucksenden Laut aus, ihre Augen weiteten sich wie vor freudigem Erstaunen, die roten Lippen öffneten sich, und auf das Kinn ergoss sich eine sprudelnde rote Flüssigkeit.
Ohne sich die Mühe zu machen, dieses seltsame Phänomen zu verstehen, nutzte er sofort die Tatsache, dass sich der Griff um seinen Hals gelockert hatte, und rückte den Kopf zur Seite, damit ihm das Blut nicht ins Gesicht rann.
Hinter Jeanne tauchte plötzlich Plattnase auf.
Er stand da und betrachtete mit gerunzelter Stirn seine rechte Hand.
Diese Hand hielt immer noch das Messer. Nur die Klinge, die früher hell war, war jetzt dunkel.
Plattnase seufzte, beugte sich herab und stellte Fandorin mit einem Ruck auf die Beine. Jeanne fiel vornüber, sie hatte den Arm abgewinkelt, so dass man die glänzenden silbrigen Nägel sehen konnte.
»Arbeiten Sie für Mirat Leninowitsch?«, fragte Nicholas den Mörder.
Der schüttelte den Kopf und wischte das Messer an der Bluse der Toten ab. Auf der weißen Seide blieben zwei lange rote Streifen zurück.
»Ja . . . aber warum dann?«
Plattnase kratzte sich den rasierten Nacken und antwortete unwillig:
»Weiß nicht. . . Ich bin wohl doch kein richtiger Profi. Max, ja, bei dem ist das etwas anderes.«
Er beugte sich über seinen am Boden liegenden Partner und fühlte nach dessen Puls am Hals.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Nicki, der immer noch nichts begriff. »Dann sind Sie also nicht von Mirat Leninowitsch geschickt?«
»Nein. Ich habe das von mir aus gemacht, aus eigenem Antrieb. Aha, er lebt also doch . . .«
»Wirklich?«, fragte Fandorin erfreut. »Dann habe ich ihn also nicht getötet?«
»Nein. Er kommt zu sich.«
»Kolja!«, schrie Miranda durch die Tür. »Lebst du? Kolja!«
»Ja, ja«, antwortete er ungeduldig. »Anatoli, warum haben Sie das getan? Ich dachte, Sie . . .«
Fandorin redete nicht weiter, weil er nicht die richtigen Worte fand, aber Plattnase hatte schon verstanden.
»Meinst du, ich habe keine Ohren? Nein, Kolja, ich beobachte dich schon lange. Du bist in Ordnung. Wie du den Jungen auf der Landstraße gerettet hast. Und überhaupt. Was du sagst, hat Hand und Fuß. Es stimmt, dass ich mich später vor Kummer umbringen würde. Was hat das Mädchen eigentlich damit zu tun? Wenn du willst, dann leg sie um, damit sie dich nicht verpfeift oder um dich zu rächen. Das verstehe ich. Aber sie quälen, warum?«
Als Anatoli das Zimmer öffnete, wo die Gefangene eingesperrt war, schlug ihm die Tür ins Gesicht. Hals über Kopf stürmte Mira durch die Diele, nahm kaum die Spuren der Schlacht wahr und stürzte zu Nicholas.
»Diese Unmenschen! Diese Idioten! Was haben sie mit dir gemacht? Tut es hier weh?« Sie befühlte seine Wange und besah sich ihre Finger, sie waren rot. »Und hier?«
»Ach Quatsch, das sind doch nur Kratzer«, antwortete Nicki, der sich wie der Held in einem Hollywood-Film vorkam. (Are you okay? – Fm fine. Gleichzeitig verschmiert der Held nachlässig das ganze Blut im Gesicht.)
»Wir müssen abhauen«, sagte Anatoli. »Du hast recht. Jastykow wird sich für die Schlappe rächen wollen.«
Mira schaute Plattnase an, blickte dann auf Fandorin und fragte erstaunt:
»Wie, der ist auf unserer Seite?«
Nicholas nickte.
»Dann hat Vater ihn wohl geschickt, oder?«
»Nein. Dein Vater . . . hat das Iljitschowsker Kombinat gekauft . . .«
Er sagte das und wandte sich ab, um ihr Gesicht nicht sehen zu müssen. Mira schniefte. Ob sie weinte?
Nein, ihre Augen waren trocken, sie glänzten nur stärker als sonst.
»Und warum hat er uns dann geholfen?«, flüsterte sie Nicholas ins Ohr.
»Worte sind eben mächtiger als die Faust. Wie
Weitere Kostenlose Bücher