Der Favorit der Zarin
die Angst vor Jeremej Metastasio überwinden und Prochor Iwanowitsch alles gestehen sollen. Die Angst lähmt nur und nimmt einem die Freiheit, aber sie hat noch nie auch nur einen Einzigen or dem Untergang retten können. Was nützt es, dass das Kaninchen zittert, wenn es auf den auf gerissenen Schlund der Schlange starrt? Die Untätigkeit des Kaninchens bringt die Schlange nicht von ihrer Absicht ab.
Der Geheimrat wohnte nicht weit entfernt vom Palast, in der Millionenstraße. Niemand kam Prochor Iwanowitsch freiwillig besuchen, aber wo er wohnte, wusste in Petersburg jeder. Da musste man den Seitenausgang nehmen, an dem gestreiften Wachhäuschen vorbeilaufen und in den Hof gegenüber sausen. Da, in dem gelben Amtsgebäude, wachte die Geheimexpedition, und da befand sich auch die Wohnung ihres Chefs.
Maslow hörte dem schluchzenden Jungen äußerst aufmerksam zu, unterbrach ihn kein einziges Mal, sondern nickte nur oder kommentierte »so so«, und das je länger, desto lebhafter. Misstrauen im Sinne von, na, da hat sich der Kleine ja was Feines ausgedacht, eine Reaktion, die Mitja am meisten gefürchtet hatte, zeigte Prochor Iwanowitsch gar nicht, und nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, wunderte er sich noch nicht einmal sonderlich über die Geschichte. Ja, er freute sich sogar eher.
Er wanderte in dem engen, mit geschlossenen Schränken zugestellten Zimmer auf und ab und rieb sich fortwährend die trockenen weißen Hände, brummelte etwas in den Bart und nickte.
»Also, du wunderbarer Junge«, sagte er, »hilfst du mir nun, unser Mütterchen zu retten und die Verbrecher dingfest zu machen, ja? Dann kann ich dich auch vor ebendiesen Ungeheuern schützen.«
»Wie kann ich Euch denn helfen?«, fragte Mitja erstaunt. »Ich bin doch noch klein.«
Der Geheimrat legte ihm den Arm um die Schulter, setzte ihn neben sich auf das Sofa und sagte leise und sanft:
»Du bist zwar klein, aber klüger als viele, die groß sind. Du siehst ja, wir beide kennen die Wahrheit, aber das ist zu wenig. Mütterchen Zarin wird uns nicht glauben, denn es geht hier um eine Person, die ihrem Herzen äußerst lieb ist.«
»Mir wird sie bestimmt nicht glauben«, sagte Mitja überzeugt. »Wer bin ich denn schon für sie, eine lustige Puppe, ein seltener Hampelmann. Aber mit Euch, ihrem Beschützer, ist das doch etwas anderes!«
Prochor Iwanowitsch stützte seine Hängebacke in die Hand und sagte betrübt:
»Auch mir treuem Hund wird sie leider nicht glauben. Du kannst sagen, was du willst, Hauptsache, du sagst nichts Böses über die Busenfreunde ihres lieben Platochens. Ich bin wirklich wie ein Hund: Fremde darf ich ankläffen, aber wehe, es geht um die eigenen Leute. Selbst wenn ich es schaffe, dass die Zarin Verdacht schöpft, was nützt das schon?«
»Was heißt das?«
»Dann wird bei Mütterchen Zarin eine Person vorsprechen, die sehr viel schöner als der alte Prochor Maslow ist, sie wird sich mit Ihrer Majestät im Schlafzimmer einschließen und wird Argumente finden, die dazu führen, dass man uns beide wie herumtollende Welpen aus dem Winterpalais wirft. Und dann wird unseren Freund Jeremej Umbertowitsch keiner mehr stören, seine böse Absicht in die Tat umzusetzen.«
»Was können wir dagegen machen?«, fragte Mitja niedergeschlagen. »Nichts?«
»Doch.« Maslow schärfte ihm ein: »Du musst alles so machen, wie ich dir sage, dann wird alles gut.«
»Wenn ich das kann . . .«, antwortete Mitja mit zitternder Stimme.
Gab es denn keine Möglichkeit, eine Gegenüberstellung mit dem schrecklichen Italiener zu vermeiden? Wenn ihm von der tödlichen Flamme seiner schwarzen Augen nur ja nicht die Zunge im Hals verdorrte . . .
»Das kannst du schon. Wenn du leben willst.«
Prochor Iwanowitsch kniff seine ohnehin kleinen Äugelchen zusammen, kaute auf seinen Lippen herum und glich dadurch noch mehr einem kahlen, alten Mops.
»Von Seiner Durchlaucht muss man ein Stückchen nach dem anderen abschneiden«, sagte er ganz leise, als spreche er mit sich selbst. »Das erste Stückchen ist der Hauptmann Pikin. Über ihn kommen wir zu dem Sekretär. Und danach tun wir so, als hätten wir gar nichts gegen Seine Durchlaucht. Wir behaupten, diese bösen Schmarotzer hätten dem armen Kerl Flausen in den Kopf gesetzt, aber er dächte natürlich nicht im Traum daran . . . Wenn ich sichere Beweise habe, wird Platon Alexandrowitsch sich von dem Italiener lossagen und ihn mit Haut und Haaren ausliefern. Ich kenne ihn doch!«
Der
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