Der Federmann
eingetrockneten Blut.
Und noch einmal fragte er: »Wo warst du?«
»Bei einem Mann«, murmelte sie schließlich.
»Hat er dir was angetan?«
Sie rührte sich nicht.
»Du hast die Polizei gerufen, nicht wahr?«
»Ich hatte Angst.«
»Lene, was ist passiert?«
Sie schwieg.
»Du erinnerst dich doch an mich? Ich hab schon am Freitag mit dir gesprochen.«
»Du hast mir Jo gebracht.«
»Ja.«
Er schaute auf das Stofftier, dann in ihre geröteten Augen.
»Lene, du musst mir alles genau erzählen. Das ist überaus wichtig, weißt du. Sonst können wir nicht –« Er brach ab. »– was mit deiner Mutter geschehen ist, wir müssen denjenigen finden, der sie –«
Umgebracht, dachte er, niedergemetzelt.
Er starrte auf den Blutfleck.
Er brachte das Wort vor dem Kind einfach nicht über die Lippen.
»Muss ich zurück zu meinem Erzeuger?«, fragte Lene mit erstickter Stimme.
Er schüttelte den Kopf.
»Wirklich nicht?«
»Wirklich nicht.«
»Ich wollte nicht mehr bei ihm bleiben. Und hier –«
Ihr Blick irrte durch das Zimmer, als lauerte irgendwo in einer Ecke ein finsterer Dämon.
Was hat sie nur durchgemacht, dachte Trojan. Er streckte vorsichtig die Hand nach ihr aus und berührte sie am Arm. Sie zuckte nur ganz leicht zurück.
»Erzähl mir alles von vorn, Lene, bitte.«
Es dauerte einige Zeit, bis sie etwas Vertrauen zu ihm gefasst hatte.
Sie begann stockend: »Mein Erzeuger hat mich abgeholt, im Krankenhaus. Er hat mich mitgenommen, zu sich nach Hause, aber da wollte ich nicht bleiben. Also bin ich abgehauen.«
»Und dann?«
»Mich hat dieser Mann angesprochen. Er heißt Konrad. «
Trojan schluckte.
»Bei dem war ich schon mal, als Paula Geburtstag hatte. Da hab ich mich in der Tür geirrt. Er war nett zu mir, obwohl er ein bisschen komisch ist.«
»Wo war das, wo hat er dich angesprochen?«
»Vor diesem Laden in den Arkaden. Da gibt es Glitzersteine, die sind schön.«
»Und du bist einfach mit ihm gegangen?«
»Er war nett zu mir, und ich konnte doch nirgendwo hin.« Sie kämpfte mit den Tränen. »Hierher hab ich mich nicht getraut. Hier ist doch all das Blut und Mama –«
Trojan nickte ihr aufmunternd zu.
»Hat der Mann dich in seine Wohnung mitgenommen?«
Sie nickte schwach.
»In welcher Straße ist die Wohnung?«
»Irgendwo in der Nähe vom Kanal. Ich weiß den Namen nicht mehr.«
»Wie lange bist du bei ihm geblieben?«
»Zwei Nächte.«
»Und hat er dich irgendwie – angefasst oder –«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein, wir haben nur Karten gespielt.«
Das darf nicht wahr sein, durchfuhr es ihn. Es war genau das, was Moll während der Vernehmung gesagt hatte. Ihm wurde heiß und kalt zugleich.
»Und er hat mir Nudeln gekocht, aber die haben nicht geschmeckt.«
»Aber dann hat er dir Angst eingejagt, ja?«
Sie antwortete nicht mehr, schluchzte bloß leise in sich hinein. Wieder berührte er vorsichtig ihren Arm, diesmal ließ sie es geschehen.
»Lene, es tut mir leid, aber ich muss dich das alles fragen. Wir müssen doch denjenigen finden, der deine Mutter –«
Wieder suchte er nach Worten.
»– der deiner Mutter all das angetan hat.«
Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und sah ihn an.
»Der Mann, den du hier gesehen hast, am Freitag bei deiner Mutter, ist das der gleiche, bei dem du in der Wohnung warst?«
»Hier war kein Mann.«
Trojan zog die Augenbrauen hoch.
»Nein? Aber da war doch jemand, das hast du am Freitag den Nachbarn erzählt.«
Sie schwieg.
»War es eine Frau? War eine Frau bei deiner Mutter?«
Sie schüttelte den Kopf.
Er hatte den Impuls, Lene vom Bett aufzuhelfen und mit ihr woandershin zu gehen, weg von den Blutspuren, aber er wusste auch, dass sie sich einem wichtigen Punkt genähert hatten, also wartete er ab.
Als sie nach einer Weile noch immer schwieg, fragte er behutsam nach: »Lene, wer war bei deiner Mutter, hier am Bett?«
Aber sie antwortete nicht.
»Wer war es denn?«
Ihre Zähne schlugen aufeinander, als hätte sie Schüttelfrost.
Er griff nach ihrer Hand, sie war eiskalt.
»Lene, ist gut, ist ja schon gut. Jetzt bist du in Sicherheit. «
»Und du bringst mich wirklich nicht zurück zu meinem Erzeuger?«
»Nein, das hab ich dir doch schon gesagt. Wir finden einen Ort für dich, an dem du dich wohlfühlst, versprochen. Wir lassen dich nicht im Stich, okay?«
Sie sah ihn zitternd an. Er schlüpfte aus seiner Jacke und breitete sie über ihr aus, sie sollte sich nicht mehr in die blutbefleckte Decke
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