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Der Federmann

Der Federmann

Titel: Der Federmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bentow
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hat?«

    »Ja.«
    Es dauerte einen Moment, dann meldete sich eine strenge weibliche Stimme.
    »Hören Sie, ich hab das bereits Ihrer Kollegin erklärt, Lene schläft, und sie ist noch zu traumatisiert, als dass ich ihr diese ganze Aufregung zumuten möchte.«
    »Wecken Sie sie, bitte«, sagte Trojan. »Es geht um ein Menschenleben.«
    »Lene ist noch immer völlig erschöpft, und ich muss sie schonen.«
    »Holen Sie sie jetzt ans Telefon, sofort!«
    »In diesem Tonfall schon gar nicht.«
    Trojan schlug mit der flachen Hand auf das Lenkrad ein.
    Dann bemühte er sich, ruhig zu sprechen.
    »Hören Sie, wenn Ihr Freund in diesem Moment in den Fängen eines Mörders wäre und Sie wüssten, dass ein einziger Mensch, auch wenn es ein Kind ist, das Schreckliches erleben und mit ansehen musste, das die Mutter verloren hat und traumatisiert ist, also wenn Sie wüssten, dass dieser Mensch Ihren Freund retten könnte –«
    »Schon gut, warten Sie, ich versuch es mal.«
    Er atmete auf, fuhr in die Glogauer Straße, überquerte den Kanal und hatte die Pannierstraße erreicht. Endlich meldete sich Lenes verschlafene Stimme.
    »Hallo?«
    »Lene, hier ist Nils Trojan. Ich hoffe, du erinnerst dich noch an mich.«
    Er vernahm nur das Atmen am anderen Ende der Leitung.
    »Ich hab dich in eurer Wohnung gefunden.«

    »Du bist der mit der Lederjacke, oder?«
    »Ja«, sagte er.
    Er schluckte.
    »Lene, das ist jetzt überaus wichtig, bitte denk genau nach. Bevor ihr in die Fuldastraße umziehen konntet, musstest ihr doch bestimmt erst eine Weile nach einer neuen Wohnung suchen.«
    »Ja.«
    »Weißt du, wie deine« – er stockte –, »wie deine Mutter die Wohnung gefunden hat?«
    »Das weiß ich nicht mehr.«
    »Denk nach, bitte.«
    Er hörte sie ins Telefon atmen.
    »Habt ihr euch mehrere Wohnungen angeschaut?«
    »Ja.«
    »Und als ihr die Wohnung in der Fuldastraße besichtigt habt, hat euch da jemand durch die Räume geführt?«
    »Ja.«
    »Wer war das?«
    »Ein Mann.«
    Es kribbelte in seinen Händen.
    »Wie sah der aus, kannst du ihn beschreiben?«
    »Ich weiß nicht mehr. Er trug einen Anzug. Er war sehr nett zu uns. Ich weiß noch, dass Mama« – sie brach kurz ab –, »dass Mama sehr froh war, als er uns sagte, dass wir die Wohnung haben können.«
    Er holte tief Luft. »Waren denn keine anderen Leute dabei? Keine anderen Bewerber?«
    »Nein, wir waren ganz allein mit ihm.«
    Er schluckte.

    »Und du kannst ihn wirklich nicht beschreiben? War er groß, klein, dick, dünn?«
    Sie schluchzte in den Hörer.
    »Ich weiß das alles nicht mehr.«
    »Schon gut, Lene. Danke, du hast mir sehr geholfen.«
    Er wollte sie noch fragen, wie das Heim war und ob sie sich schon einigermaßen eingelebt hatte.
    Es gab überhaupt noch so viel, was er ihr sagen wollte, aber die Zeit drängte.
     
    Es war fünf Uhr morgens. Spatzen lärmten in einem Gebüsch. Die Straße war menschenleer.
    Er drückte auf sämtliche Klingelknöpfe an der Hausnummer 76, aber niemand öffnete. Er nahm Anlauf und warf sich gegen die Tür. Sie krachte in den Scharnieren. Er nahm wieder Anlauf, wusste nicht, wie viele Türen er bereits in dieser Nacht einzurennen versucht hatte.
    Da lehnte sich jemand fluchend aus dem Fenster im zweiten Stockwerk. Trojan erkannte, dass es die verwirrte Alte aus der Wohnung gegenüber der von Michaela Reiter war. Er rief zu ihr hinauf, sie solle öffnen, aber sie schlug nur das Fenster zu. Daraufhin nahm Trojan noch einmal Anlauf, und die Tür gab endlich nach.
    Er stürmte hinauf.
    Die Blutspritzer waren noch immer an der Wand zu erkennen. Jemand hatte versucht, sie wegzuwischen, doch mit wenig Erfolg.
    Er zögerte nur einen Moment lang, sah sich kurz um, dann zückte er seine Waffe, trat zur Seite und zielte auf das Schloss.

    Er drückte ab.
    Einmal, zweimal, dreimal.
    Das Schloss sprang weg, er stieß die Tür auf.
    Er hörte aufgeregte Stimmen im Treppenhaus, aber er kümmerte sich nicht darum.
    Er eilte durch die Zimmer und blickte sich um. Schließlich entdeckte er mehrere Aktenordner in einem Regal. Er zog einen davon heraus.
    Während er in den Unterlagen blätterte, rief jemand draußen nach der Polizei.
    Er nahm sich den nächsten Ordner vor und blätterte hastig die Seiten durch.
    Plötzlich hielt er inne.
    Michaela Reiter war ein ordentlicher Mensch gewesen.
    Er riss ein Papier aus dem Ordner.
    Seine Hand zitterte.
    Es war eine Rechnung, datiert vom Februar 2010. Auf dem Briefkopf stand in großen Lettern: REDZKOW

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