Der Fehler des Colonels
setzen.«
»Wie konkret sind diese Pläne?«
»In China und Iran wurde schon mit dem Bau begonnen. Offiziell werden sie es erst machen, wenn sie müssen, aber das Planungsstadium haben sie schon hinter sich.«
»Hat Washington dir befohlen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen? Maßnahmen, die diesen Vergeltungsschlag auslösen konnten?«
»Nein. Aber ich hatte eine Heidenangst, dass der Agent, der mich informiert hat, gefasst wird. Übrigens war ich deshalb bei der Konferenz bewaffnet, obwohl Logan das nicht autorisiert hat. Ich war beunruhigt, Mark. Und offensichtlich aus gutem Grund.«
»Was war mit dem Rest der Station? Haben die Gegenmaßnahmen ergriffen?«
»Wenn etwas Größeres geplant gewesen wäre, hätte ich Bescheid gewusst, aber du kennst ja Kaufman. Der riskiert nichts. Vielleicht hat die Nahostdivision etwas unternommen, aber wenn, war Zentraleurasien nicht eingeweiht.«
Daria starrte wieder durch die Windschutzscheibe. In ihrer Miene spiegelte sich Sorge. Und Wut.
Als Mark ihr Gesicht betrachtete, überkam ihn wieder das Gefühl des Grauens, das ihn in Peters’ Wohnung gepackt hatte. Er wünschte, Daria würde sich aus dem Geschäft zurückziehen. In die Staaten zurückgehen,einen richtigen Job suchen, einen anständigen Kerl heiraten, ein paar Kinder bekommen und das Leben genießen. Jung wie sie war, könnte sie das noch hinkriegen.
Das ist es nicht wert, hätte er ihr gern gesagt. Seit fast zweihundert Jahren brachten sich Menschen gegenseitig um, weil sie Zentralasien und seine Ressourcen unter ihre Kontrolle bekommen wollten. Erst kämpften die Briten gegen die Russen, dann die Amerikaner gegen die Sowjets, und jetzt war es eine Massenschlägerei, bei der Russland, China und der Westen einander wegen Öl an die Gurgel gingen. Das war die neueste Auflage des Großen Spiels – und es würde genauso ablaufen wie immer, ob Daria nun mitmischte oder nicht.
Natürlich würde sie nicht aussteigen, genauso wenig, wie er seine Koffer gepackt hätte und heimgefahren wäre, wenn ihm das vor zwanzig Jahren jemand geraten hätte. Sie glaubte immer noch, dass es einen höheren Zweck gab, dass sie etwas ausrichten konnte, dass es um mehr ging als Menschen, die einander wegen Geld ermordeten.
»Also haben Iran und China einen riesigen Pipeline-Deal laufen«, sagte Mark, »wir machen nichts dagegen, und mehr weißt du nicht?«
»Mehr weiß ich nicht.«
»Scheiß drauf. Ich werde dieser Sache auf den Grund gehen, Daria.«
23
In Baku deckten sie sich mit Kleidung und dem Lebensnotwendigen ein und bezahlten bar für zwei Zimmer im Absheron Hotel. Der fünfzehnstöckige Klotz war in der Sowjetära das erste Haus am Platz gewesen, jetzt war von dem einstigen Glanz nicht mehr viel übrig. Für ihre Zwecke passte es aber perfekt, weil die unterschiedlichen Stockwerke von verschiedenen Hotelbediensteten betreut wurden, die auf das Kommen und Gehen der Gäste kaum achteten.
In Darias Zimmer im elften Stock stand ein uralter Kühlschrank, der sich anhörte wie ein Diesellaster, wenn er sich einschaltete. Auf dem Boden lag ein fleckiger Teppich, der aus Breschnjews Zeiten hätte stammen können. Im Badezimmer, auch ein sowjetisches Relikt, rosteten die Armaturen, die Toilette wackelte und die Fliesen waren gesprungen.
Aber es gab saubere Bettwäsche, heißes Wasser und eine tolle Aussicht. Das Absheron blickte auf das Kaspische Meer und das prächtige Dom Sowjet, das alte kommunistische Parlamentsgebäude, das nun leer stand und wie das Hotel darauf wartete, mit Ölgeld saniert zu werden. Vor dem Dom Sowjet lag ein riesiger Paradeplatz, auf dem früher regelmäßig die Rote Armee mit ihren Raketengeschützen im Stechschritt aufmarschiert war.
Mark folgte Daria in ihr Zimmer. Er ging auf den Balkon und zog die Markise herunter, während sie eine neue SIM-Karte in sein Handy steckte und mehrere Gespräche führte. Sie sprach Aseri, Farsi und sogar ein wenig Chinesisch mit einigen aus der multiethnischen Schar ihrer Agenten.
In kodierter Sprache traf sie Verabredungen mit den wenigen Agenten, die sie direkt zu kontaktieren wagte; es ging darum herauszufinden, ob sie irgendwelche Hinweise darauf hatten, von wem dieGewaltakte ausgingen. Dann erklärte Daria, sie würde sich jetzt die Haare schneiden und färben.
»Wann ist dein erster Termin?«
»Heute Abend um zehn.«
»Decker und ich werden dir folgen, sicherheitshalber.«
»Danke, aber meine Agenten verlassen sich darauf, dass sie mich allein
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