Der Fehler des Colonels
Soldaten, die dem Islam nur Lippenbekenntnisse zollten; die Politiker, die sich der Garde anschlossen, um ihre Karriere zu befördern … Es war eine komplizierte Organisation und niemand kannte sie besser als Daria.
»Wenn diese Doha Group am Maraj-Ölfeld arbeitet«, sagte sie, »dann nur, weil die Revolutionsgarde sie als Subunternehmer beauftragt hat. Aber ich bin sicher, dass bei dem Geschäft irgendein General ein großes Stück vom Kuchen bekommt.«
Nach Darias Ausführungen fühlte sich Mark ratloser denn je.
Die Volksmudschahedin hatten hoch angereichertes Uran gestohlen, angeblich um es der Internationalen Atomenergieorganisation auszuhändigen. Aber statt es der IAEO zu übergeben, hatten sie es anscheinend der Doha Group zukommen lassen, einer Firma, die mit der iranischen Revolutionsgarde verflochten war.
Aber warum? Die Volksmudschahedin hatten ja wohl kaum Uran von den Iranern gestohlen, um es ihnen anschließend wieder zurückzugeben.
»Also flog dieser Lockheed Jetstar, den Daria und ich aufspüren wollen, von Irak nach Dubai«, resümierte Mark, »und wurde direkt nach der Landung an die Doha Group verkauft. Wissen wir, was als nächstes geschah? Ist die Maschine noch hier?«
»Ich hab ein paar Anrufe gemacht«, sagte Bowlan. »Am Tag des Verkaufs ist sie nach Salala in Oman weitergeflogen. Ich kenne einen Briten, der in der Botschaft in Maskat arbeitet. Er hat mit den Omanis gesprochen. Sie haben keine Aufzeichnungen über die Landung der Maschine.«
»Also ist sie einfach verschwunden.«
»Sie ist einfach verschwunden.«
»Wir könnten andere Flughäfen überprüfen.«
»In diesem Teil der Welt gibt es eine Menge Flughäfen. Und die Hälfte davon sind privat oder militärisch.«
Mit Flugunterlagen, an die weder Bowlan noch die CIA herankamen, so viel war Mark klar. Unterm Strich hieß das, wenn der Pilot der Maschine sie verschwinden lassen wollte, war das nicht schwierig.
»Dann halten wir uns an die Doha Group«, meinte Daria. »Sie haben die Maschine gekauft. Irgendjemand in der Firma muss wissen, was damit passiert ist.«
55
Mark kaufte ein neues Päckchen SIM-Karten für sein Mobiltelefon und nahm sich ein Zimmer im Ramada Hotel. Larry Bowlan besuchte ihn dort, nachdem er sich im Konsulat krankgemeldet hatte und früher gegangen war.
»Wie in alten Zeiten«, meinte Bowlan fröhlich.
»Ja, so ähnlich.«
Bowlan bestellte beim Roomservice zwei Heineken für Mark, zwei für sich und einen Salat mit fettfreiem Dressing. Während sie auf das Essen und das Bier warteten, behielt Mark, der eine Kippe geschnorrt hatte, das gegenüberliegende dreistöckige Kalksteingebäude im Auge.
Sie redeten darüber, wie bescheuert die Zentrale in Langley war, bis gegen fünf Uhr nach und nach Männer im Geschäftsanzug, manche hell-, manche dunkelhäutig, das Gebäude verließen. Einige wurden von Taxis abgeholt, andere gingen zu Fuß. Mark und Bowlan beobachteten sie alle durchs Fernglas.
Wenn einer ins Freie trat, musterte Bowlan den Mann und sagte jedes Mal: »Nein.«
Das ging fast eine Stunde lang so.
Schließlich sagte Mark: »Larry, du musst einen aussuchen. Wenn du nicht willst, mache ich es.«
Unten auf der Straße wartete Daria auf die Anweisung, wem sie folgen sollte.
Wieder trat ein Mann aus der Tür. »Nein«, sagte Bowlan.
Aber dann hielt ein schneeweißer Rolls Royce mit Chauffeur vor dem Gebäude. Ein paar Minuten später kam ein Mann im dunklen Anzug heraus und ging auf den Wagen zu.
»Das ist unsere Zielperson«, erklärte Bowlan.
»Willst du mich auf den Arm nehmen?«
Greif dir die Kleinen – die Schwachen, die Jungen, die Notleidenden. Das war Larry Bowlans Methode. So hatte Mark es gehalten, als er – noch ein dummer, idealistischer Doktorand – einen KGB-Häftling im sowjetischen Georgien angeworben hatte, der gewaltsam heroinabhängig gemacht worden war, in einem Loch voll mit seinem eigenen Kot schlafen und aus nächster Nähe mit ansehen musste, wie andere Gefangene erschossen wurden.
Man benutzte die Machtlosen, um etwas über die Mächtigen zu erfahren. Man fing nicht mit den Mächtigen an.
»Der Rolls gehört ihm nicht«, stellte Bowlan fest.
»Woher willst du das wissen?«
»Man braucht ihn nur anzusehen. Es ist ein weißer Phantom. Gehört zum Burj.«
»Was ist das Burj?«
»Das Burj al Arab. Ein Hotel, hast du bestimmt schon gesehen.«
»Das glaub ich kaum.«
»Doch. Steht an der Küste. Es ist riesig, sieht aus wie ein Segel.«
»Ach,
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