Der Feigling im Dunkeln (German Edition)
Kaza.
Die
ersten beiden Flüche waren selbsterklärend, zum Dritten
folgendes: Alle Sklaven waren Kaza. Kein Volk außer den Kaza
würde es zulassen, dass man ihresgleichen versklavte. Die
stolzen Frostblatt aus dem Süden hielten ihre Ehre höher
als jeglichen Verstand und selbst das ärmliche Fischervolk aus
dem Kronarchipel, das nicht einmal so etwas wie eine offizielle
Führung hatte, würde nicht tatenlos zusehen, wie man einen
der Ihren zu einer solch niederen Stufe degradierte.
Kaza,
nun, die Kaza waren Barbaren. Bronzehäutige, rothaarige
Barbaren, mit harten Gesichtern, harten Augen und breiten Schultern.
Neben den zahlreichen Kriegen, die sie innerhalb ihres eigenen Landes
führten, waren sie nie darum verlegen auch in andere Länder
einzufallen. Die Wun hatten zu viel Macht im Reich, die Frostblatt
waren zu weit weg. Aber das Kronarchipel im Osten des Außenlandes
und die Halbstaaten, die Kaza von Wun trennten, waren immer beliebte
Ziele.
Neben
den Machtspielen mit den anderen beiden großen Mächten
konzentrierten sie sich auf Viehzucht und Sklaverei. Bei so vielen
Bürgerkriegen innerhalb der eigenen Grenzen ging der Vorrat an
frischen Gefangenen nie aus, und Wun zahlte gut.
Eine
Zivilisation wie die der Wun sah selbstverständlich auf die Kaza
herab. Aber während die Frostblatts jeglichen Kontakt mit den
Barbaren vermieden sahen die Wun es als ihr Recht an, ihren Nutzen
aus ihren niederen Nachbarn zu ziehen und erst anschließend auf
sie herab zu sehen.
Zurück
zu der Kaza im Hinterhof der Kürschnerei also. Die Sonne stieg
unaufhörlich höher in den Himmel und aus der wabernden
Schwüle war eine brennende Hitze geworden. Das dünne
Kopftuch aus ungefärbten Leinen, das sie über den kurzen
Stoppeln trug, schützte kaum gegen die erbarmungslosen Strahlen,
die sie von oben malträtierten.
Mehr
als einen Finger breit durften die Haare der Sklaven nicht werden,
das war nur eine von vielen Regeln, die die unnachgiebige Abgrenzung
der Stände voneinander sicherte. Für Tei bedeutete das
Haarlosigkeit, ungefärbte Kleidung, die aus nicht mehr als zwei
Teilen bestehen durfte und Verbot jeglichen Schmucks. Letzteres war
für sie so oder so unerreichbar. Ausnahme machten bei dieser
Regel zu einem gewissen Grad die Haussklaven, gegenüber den
gemeinen Arbeitssklaven wurde bei Hausdienern auf gepflegtes Äußeres
großer Wert gelegt. Tei gehörte offensichtlich nicht zu
dieser Gruppe marginal glücklicherer Sklaven.
An
diesem Tag lag mehr in der feuchten Luft als die Dämpfe aus den
großen Bottichen und dem Gestank nach verfaulendem Fisch. Es
war Besuch gekommen, Besuch mit Gold. Geschäftspartner wagten
sich nur selten in die Gilden, mit denen sie Geschäfte machten.
Erstrecht nicht in diese Gilde. Aber der hohe Besuch war in so manchen Aspekten anders. Vor
allen Dingen war er kein Wun. Er war Beamter, das ärmellose
Gewand in zartem taubengrau und die tätowierten Tintenflecken an
den Händen waren ein sicheres Zeichen, die Breite des schwarzen
Ziergürtels und die Länge seiner Haare verrieten seinen
Stand als niederen Beamten, allenfalls mittlerer Stand.
Aber
vor allen anderen Dingen war er Kaza.
Nicht
reinblütig, das sah man sofort. Er hatte die Bronzehaut und die
dunklen, blutroten Haare der Nordbarbaren, aber seine Gesichtszüge
waren fein und elegant, die harten Augen tropfenförmig und der
ehrwürdige Ausdruck unterstrichen von den schmalen, gebogenen
Brauen, die ihm einen erhabenen Ausdruck verliehen. Das Kazablut tat
trotz allem sein bestes, ihm neben der Erhabenheit eine Aura von
Unnachgiebigkeit und Härte zu verleihen. So sehr er auch Wun
ausstrahlte, die Herkunft ließ sich nicht verschleiern und Tei
wusste, dass bei Mischblütern ein Tropfen Kaza genügte, um
bei jedem Wun, egal welchen Standes, als Abschaum zu gelten.
Ihr
Meister ließ sich nichts anmerken, der Fremde hatte Gold, und
Gold sprach lauter als Blut, solange man alleine war, und außer
Tei war heute niemand zur Arbeit erschienen.
Die
beiden sprachen leise, das offene Lächeln verließ nicht
für eine Sekunde ihre Lippen, wie bei Geschäften üblich.
Tei tat ihr bestes unberührt von all dem weiter zu arbeiten,
aber ihre Neugier war geweckt. Gold sollte in den feinen Büros
die Hände wechseln, nicht in Hinterhöfen unter der
Anwesenheit von Sklaven.
Sicher,
sie war nur Arbeitskraft und ansonsten war ihre Existenz nichtig.
Aber hören konnte sie und so sehr sich ihre Meister auch bemüht
hatten, ihre kindliche
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