Der Feigling im Dunkeln (German Edition)
direkten Meister, wie es schien, das war
ein Desaster.
Stahl
er sie oder hatte er sie mit der Gilde zusammen gekauft? Ihn zu
fragen stand ihr nicht zu, auch wenn sie insgeheim gestehen musste,
auf ihren neuen Besitzer herabzusehen. War sie schon so sehr Wun? Was
gab diesem Mann das Recht selbst Sklaven zu besitzen? Er sollte
selbst einer sein. Es war nicht gerecht.
Sein
Haus war unscheinbar, auf den ersten Blick. Es war eins der Häuser,
die unten nur wenige Schritte breit waren, sich aber nach oben hin
ausweiteten und über die Dächer seiner Nachbarn lappte.
Der
Mann zerrte sie geradewegs durch das schmale Treppenhaus bis hin nach
oben, wo sich ein großzügiger Dachgarten erstreckte.
Dieser
Teil des sonst eher gewöhnlichen Hauses war wohl der Stolz des
Besitzers. Er schlenderte betont gelassen an der kniehohen Mauer
entlang und ließ den Blick gen Osten schweifen.
Schließlich
drehte er sich mit einem Ruck zu Tei hin, als hätte er sich
gerade daran erinnert, sie mit hier her geschleift zu haben. Eine
ebenso gekünstelte Geste wie seine falsche Erhabenheit.
"Chime
Jai von Harlok zu Wun.", er betonte jede dieser Silben als sei
sie aus purem Gold.
"Das
ist der Name deines Herrn, mir. Merk ihn dir gut."
Tei
nickte nur ihr Sklavennicken und versuchte nicht den Blick zu
erwidern, den ihr Besitzer über ihren Kopf hinweg in die Weite
schweifen ließ.
Mehr
hatte er ihr dann auch nicht zu sagen und so wandte Harlok sich ab
und ließ sich in einer großzügigen Liege aus Bast
nieder, um die letzten Strahlen des Tages zu genießen.
Es
war kurz vor Mitternacht und die Hitze des Tages war einer kühlen
Brise gewichen, noch immer leuchtete und glitzerte ein Meer aus
Lichtern unter ihnen und noch immer machte Harlok keine Anstalten
sich zu Bett zu begeben.
Betont
gelassen und erhaben hing er in seiner Liege, doch seine harten Augen
verrieten die Anspannung, die ihn fest ergriffen hielt.
Unter
ihnen wurden Stimmen laut, tumultartig schnatterten und riefen sie
durcheinander, an jeder Ecke, aus jedem Fenster streckten sich Köpfe
und beobachteten gespannt die Prozession, die sich aufgemacht hatte.
Ein Pulk von Beamten, Arbeitern und Sklaven marschierten sicheren
Schrittes auf die Gilde zu.
Dann
erschien der Mann, aus dem Nichts.
Er
löste sich aus den Schatten, als sei er Teil von ihm gewesen.
Er
trug keine Tintenflecken an den Händen, wie ein Beamter. Die
Mütze die er trug glich eher einer unförmigen Kapuze, die
sein Gesicht halb verdeckte und hatte nicht die Ohrenklappen der
Händler und Kaufleute, auch geschminkt war er nicht. Adlig war
er sicherlich nicht und für die Kaste der Arbeiter fehlten ihm
die Haare.
Tei
konnte ihn beim besten Willen keinem Stand zuordnen. Sklave? Nein.
Der Mann war Wun. Wun und kastenlos.
Der
Gedanke erfüllte sie mit Unsicherheit. Wie sollte man ihn
einschätzen? Wie sollte man ihn ein ordnen ?
Harlok
schien weniger entsetzt.
"Ein
Schattenmann, wie passend. Und unpassend zugleich. Was ist das für
ein Tumult?"
"Qiyi
bin ich. Ich habe soeben die Gilde gekauft."
Harlok
hob betont gelassen die Augenbraue und ließ seinen Ärger
durch seine Augen sprechen.
"Was?!"
Seine
Stimmte glich einem Knurren, leise und ruhig.
"Geh
zurück, wo du hergekommen bist, Harlok. Diese Gilde ist
außerhalb deiner Reichweite."
Mit
diesen Worten und einem geschmeidigen Lächeln glitt der
Schattenmann namens Qiyi zurück in die Dunkelheit und war
verschwunden.
Harlok
lief noch eine Weile aufgebracht hin und her und schimpfte leise vor
sich hin, bis irgendwann der Mond verblasste und in den Gassen das
Geschäft des Tages seinen Lauf nahm.
Das
Wort auf der Straße war Qiyi, der mit seinem Paukenschlag mehr
als nur die Leute auf dem Weg der Ewigen aus ihrem Schlaf gerüttelt
hatte.
Qiyi
und seine neue Gilde, gerettet vor dem gierigen Ausländer.
Tei
hatte ihren alten Meister gemocht. Lan Mentoi von Wun war lustig
gewesen und immer gut gelaunt.
Vieles
davon war nur Maske, soviel wusste sie von Kaufleuten wie ihm. Neben
der dicken Schicht aus Schminke trugen sie noch viele andere Masken.
Die Maske der Schmeichelei, Maske der Freundlichkeit, Maske des
Verständnisses... Die bunte Bemalung war eigentlich nur ein
Hilfsmittel um es ihm zu erleichtern die vielen anderen Masken
darzustellen. Ein lachender Mensch geht unter, malt er sich sein
Lachen jedoch groß ins Gesicht wird ihn niemand übersehen.
Ein wahrer Meister der Kunst versteht es sich so zu bemalen, dass mit
dem Zucken eines Mundwinkels
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