Der Feigling
war bald fertig.
Es ging wunderbar leicht. Sie zog sich um, ein Fähnchen und alte Sandalen. Dann
schleppte sie einen Liegestuhl hinaus unter die Kastanie.
Es lag sich gut. Ruhe und der Duft nach
Frühling und Gras unter der grünen Glocke. Das Haus war voll von Studenten, die
meisten waren in der Uni oder sonstwo. Sicher auch Jens, das Musikgenie...
Stand im Konservatorium zwischen Noten herum und blies auf der Flöte. Ein
Segen.
Er war nicht im Konservatorium.
Seine Stimme sagte neben ihr: »Hättest
du tiefere Bedenken, wenn ich mich hierhin lege?«
Barbara öffnete die Augen und
blinzelte. Seine Gestalt wurde nach oben immer dünner, und sein Gesicht war in
lächerlicher Ferne. »Weder — noch«, sagte sie.
»Tausend Dank.« Er klappte den
Liegestuhl auseinander, umständlich, als hätte er Spaß daran. Sie schloß die
Augen wieder.
»Müde?«
»Taufrisch. Quellwasser ist lahm
dagegen.«
»So habe ich es vermutet.«
»Was fragst du dann?«
»Wo du doch die ganze Nacht fest
geschlafen hast.«
»Traumlos«, sagte sie. Sie dachte an
die zugehaltene Nase des Greises.
Jens fragte langsam: »War sein Bett so
gut?«
Barbara rührte sich nicht. Nicht ärgern
lassen. Trotzdem eine Unverschämtheit. »Astrid ist ein Mädchen, wenn ich nicht
irre, teurer Jens.«
»Du irrst nicht, teure Barbara. Sie hat
am Abend angerufen und nach dir gefragt. Ich war dran. Der reine Zufall.«
»In Barbara erwachte der Trotz. »So
was. Dann war ich wohl doch nicht bei Astrid.«
»Wohl doch nicht.«
Sie schwieg. Nur weiter, lieber Junge.
Er wartete, aber das Mädchen hielt es länger aus.
»Meinst du, es macht einen
hervorragenden Eindruck, wenn du Nächte wegbleibst?«
»Ich meine gar nichts.«
»Deine Eltern hätten ihre helle
Freude.«
Sie lächelte ihn an, voller Spott.
»Nett, daß du dir meinen Kopf zerbrichst.«
»Ist dir dein Ruf so gleichgültig?«
»Machst du dir Sorgen darum?«
»Ja.«
»Wie rührend, dieses Mitgefühl. Ich
würde es Eifersucht nennen.«
»Red keinen Quatsch.« Er war ärgerlich.
»Ich darf mich wohl darum kümmern, in was für Hände du gerätst.«
Der Streit machte Spaß. »Erstens wüßte
ich nicht, warum du das darfst. Zweitens kann ich über die Hände nicht klagen.«
»Bis sie dich rausfeuern.«
»Na und? Besser, als wenn er sich mit
mir verloben wollte nach einer Woche — wie du!«
»Weil ich dich liebe.«
»Weil du gehört hast, daß mein Vater
Geld hat.«
Er biß auf seiner Unterlippe herum. Die
Beherrschung machte Mühe. »Schöne Gemeinheiten denkst du dir aus! Das Vorbild
wird schon sichtbar. Du wirst herrlich zusetzen bei der Geschichte.«
Sie wollte nichts aufsparen. Alles
mußte heraus. »Nicht soviel wie bei dir! Ich habe ihm noch kein Mittagessen
zahlen müssen und kein Bier!«
Er stand auf mit hölzernen Bewegungen.
»Vielen Dank. Du brauchst es nicht mehr zu tun. Mach, was du willst. Wer mit
Gewalt eine Hure werden will, den soll man nicht hindern.«
Er ging weg, aber er kam nicht weit.
Barbara schnellte hoch und hinter ihm her. Sie faßte seine Schulter und riß ihn
herum. Es tat scheußlich weh, als ihre Hand in sein Gesicht schlug. Er wurde
bleich. Für eine Sekunde sah es aus, als wollte er zurückschlagen. Sein Körper
zitterte. Er versuchte, alle Verachtung, die in ihm war, in sein Gesicht zu
bringen, aber es war nicht einfach. Man brauchte einen wortlosen,
entschlossenen Abgang, zumal anzunehmen war, daß vom Haus her jemand den
Auftritt voller Behagen betrachtete. Er stieß die Luft durch die Nase wie ein
letztes Wort. Dann drehte er sich und ging zum Haus. Als er durch die Tür war,
legte er die Hand auf die Wange.
Auch Barbara rieb erst verstohlen ihre
Handfläche, als sie wieder im Stuhl lag. So ein blöder Kerl. Die Ruhe war hin.
Sie wollte einschlafen, nicht daran denken. Es gelang nicht. Reizender
Vormittag. Der Greis würde sich totlachen.
*
Jens saß in seinem Zimmer am
Schreibtisch, ein brütender Othello. Wenn er den Kopf drehte, konnte er sein
Gesicht mit den vier roten Striemen auf der linken Wange im Spiegel sehen.
Warum mußte das so sein? Warum konnte
sie nicht bei ihm bleiben und ihn lieben? Dieser verfluchte Idiot hatte sich
zwischen sie gedrängt, mit weisen, abgeklärten Sprüchen und irgendwelchen
Tricks, auf die die Weiber immer wieder reinfielen. Der Herr mit den grauen
Schläfen. Er mußte etwas dagegen tun. So leicht sollte es der Kerl nicht haben.
Es war ihm klar, daß sein letzter Satz im Garten ein Fehler gewesen
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