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Der Feigling

Der Feigling

Titel: Der Feigling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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ächten. Es gibt nur Ärger.«
    »Wieso?«
    »Du bist zu hübsch.«
    »Ach, Unsinn.«
    »Es sind alles Junggesellen —
Altgesellen, meine ich. Weiberhasser. Wahre Teufel.«
    »Fein!«
    »Ich bin auf immer blamiert —«
    »Du bist ein Feigling!«
    »Ich weiß.« Er sah sie flehend an.
»Können wir nicht am Sonntag fahren?«
    »Am Sonntag kannst du allein fahren.«
    Er war das Unglück in Person. »Also
gut. Ich weiche der Gewalt. Schweren Herzens willige ich ein.«
    Sein Herz war leicht und fröhlich. Er
hatte es sich schwerer vorgestellt. Aber er wußte, daß Barbara enttäuscht sein
würde. Alle würden sie sich Mühe geben, sie zu enttäuschen.
     
    *
     
    Die Kneipe war gelb.
    Ein gelber Würfel, fünf mal fünf mal
drei. Eine Art Schaufenster mit einem halbhohen Vorhang, eine einflügelige Tür
mit höckerigen Milchglasscheiben und schmutzigbraunem Holz. Links daneben war
noch eine Eisentür, dahinter schien ein Weg zu sein, mit einem Teerpappendach
am Anfang. Rechts lehnte sich eine hölzerne Lebensmittelbude neben die Kneipe,
um nicht umzufallen. Lefteri Perlmann. Feinkost, Spirituosen.
    An der Außenfront der Kneipe hingen
drei Schilder. Das erste neben der Tür verkündete die Biermarke. Das zweite
neben dem Schaufenster Coca-Cola eiskalt. Das erfrischt. Das dritte stand im
Fenster gegen die Scheibe gelehnt: Weine, Liköre. Gemütlicher Aufenthalt.
Sonntag Ruhetag.
    An der rechten Seite ragte noch ein
gläserner Kasten heraus, ein Transparent, auch mit der Biermarke, Wegweiser am
dunklen Abend. Über dem Fenster, mit mißratenen Buchstaben auf den rauhen
gelben Putz gemalt, stand der Name des Lokals: Bei Friedrich.
    »Na?« fragte der Feigling.
    »Toll. Fast hätte ich es mit den ›Vier
Jahreszeiten‹ verwechselt.«
    »Nicht wahr? Du bist nicht der erste,
dem das passiert. Und innen! Die Einrichtung ist von erstklassigen Werkstätten
— sollen den Palast des Scheichs von Kuweit eingerichtet haben — oder war es
das Bordell, ich weiß nicht mehr —, folge mir, Schwesterchen!«
    Barbara stieg aus. Der Feigling schloß
den Wagen ab. »Es empfiehlt sich, die Taschen zuzuhalten und durch den Mund zu
atmen«, sagte er.
    Sie öffnete die Tür. Es kam noch eine
zweite, ähnliche. Für einen Augenblick standen sie in einem hölzernen Käfig,
dicht beieinander. Die zweite Tür ging auf.
    Barbara war drin und blickte entsetzt
um sich.
    Sechs Männer starrten Barbara an. Vier
standen an der Theke.
    Einer dahinter. Der sechste saß allein
an einem Tisch neben der Eingangsschleuse. Er sah aus wie ein verkümmerter
Nachfahre Napoleons und krähte mit gellender Fistelstimme: »Eine Frau! Ein Weib
auf diesem geweihten Boden! Auf den Scheiterhaufen mit ihr! Ich will ihn selber
entzünden!«
    »Sofort, Günther«, sagte der Feigling
begütigend. »Ich will sie nur bekannt machen, damit du weißt, wer verbrannt
wird.«
    »Was schert es mich!« krähte Günther
und schwenkte sein leeres Glas. »Was ist sie gegen Johanna, die Heilige! Ein
Nichts! Ein Schatten! Fritz! Bier!«
    Ein Irrsinniger, dachte Barbara.
    Der Feigling nahm sie am Arm.
    »Liebe Gemeinde«, sagte er fast
demütig, »das ist Barbara Thomann, etwa tausend Wochen alt und Studentin.
Bärbel — das ist unser lieber Wirt, Herr Friedrich Wuck.«
    Der Mann hinter der Theke machte eine
Art Verbeugung. Seine Brillengläser funkelten kurz und gefährlich. Er hatte
graues Haar und ein Gesicht wie ein alter, störrischer Hengst. Er lächelte
nicht und sagte: »Grüß Gott, Fräulein.«
    »Hier zur Linken siehst du Herrn Doktor
Meise, Privatgelehrter. Es gibt keine Frage, auf die er dir nicht antworten
kann.«
    Der Mann mußte siebzig sein. Er hatte
einen geschnitzten Kopf. Ein Marionettenkasper mit tiefen Furchen im Holz. Das
Kinn war dicht an seiner Brust, so krumm war er schon. Er drehte sich langsam,
unendlich steif. Seine harten Züge verzerrten sich in grenzenlosem Wohlwollen.
Er ergriff Barbaras Finger mit einer kalten Greisenhand, beugte sich herunter.
»Meine Verehrung, Gnädigste!« Er krächzte. Dann schlug er die Augen zur Decke.
»Junges, warmes Blut! Danke dir, Jakob, für dieses Göttergeschenk!«
    Noch ein Irrsinniger, dachte Barbara.
    Mit Mühe bekam sie ihre Hand frei. Der
nächste an der Theke drehte sich langsam und widerwillig herum. Auch er trug
eine Brille. Sein Haar war an den Seiten zerwühlt und hing über die Ohren. Er
rauchte eine Zigarre von scheußlichem Geruch. Sein Hemd stand am Hals offen,
und unten hing es mitsamt dem Bauch über den

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