Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Feigling

Der Feigling

Titel: Der Feigling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
Vom Netzwerk:
war. Er
beging noch einen größeren.
    Er hatte Barbaras Vater einmal gesehen,
war ihm vorgestellt worden, als er kurz zu Besuch gekommen war. Jens holte
seine Maschine heraus und schrieb einen Brief.
     
     
     

IV
     
    Der Feigling lehnte an der Wand
gegenüber dem Hörsaal, aus dem Barbara kommen mußte.
    Er hörte das Klopfen und Trampeln im
Inneren des Raumes. Die Türen flogen auf. Der Schwarm drängte auf den Korridor,
und Barbara wurde fast von selbst gegen den Feigling geschoben.
    »Wann wurde die erste Zeitung
gedruckt?«
    »1482 oder 1609 in Augsburg oder
Wolfenbüttel oder so...«
    »Oder so. Du hast geschlafen.«
    »Nein! Die sind sich nicht einig.«
    »Daher der Name der Universität. Komm
ins Freie. Mein Brustkorb ist morsch.«
    »Supergreis.«
    Sie fuhren zu einem stillen Lokal mit
groben Holzbänken und goldenem Bier. Der Feigling sah Barbara an und sagte:
»Ich liebe dich, Bärbel. Möglicherweise interessiert es dich nicht, aber ich
wollte es dir sagen, bevor ich es vergesse.«
    »Es interessiert mich in keiner Weise«,
sagte Barbara und lächelte.
    »Ich hab’ es extra in mein Notizbuch
geschrieben. Hier.« Er zeigte ihr die Seite. »Freitag, neunzehnter Mai. ›Bärbel
sagen: Liebe dich‹.«
    »Ordentlicher Mensch.«
    »Kann ich also streichen.« Er strich
die Notiz aus. »So — das wäre das. Nun weiter. Wirtin gemeckert?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Die nicht.«
    »Wer? Der junge Recke?«
    »Hm.«
    »Hat er sich das Gewand zerrauft?«
    »Nein. Er hat gesagt, wenn ich eine
Hure werden wollte, sollte man mich nicht hindern.«
    »Hure? Oh, das ist gar nicht einfach.
Die haben was gegen Amateure, die die Preise verderben. Sagt er öfter solche
Sachen zu dir?«
    »Ach, er ist verrückt. Blödsinnig
eifersüchtig. Wollte sich gleich mit mir verloben. Denkste.«
    »Um des Himmels willen!« Der Feigling
trank einen langen Schluck.
    »Er scheint tatsächlich verrückt zu sein.
Wie kommt er auf die wahnwitzige Idee?«
    »Ich weiß nicht. Hat Geld gerochen.«
    »Hat Papa Geld?«
    »Hm.«
    »Haufen Erbschleicher um dich rum?«
    »Hm.«
    »Na ja, kann ich verstehen. Selber
arbeiten ist lästig.«
    »Er meint, es ruiniert meinen Ruf, wenn
ich nachts wegbleibe.«
    »Das ist eine Frage der Umstände«,
sagte der Feigling. »Wenn du mit ihm nachts wegbliebst, würde es deinen Ruf
weniger ruinieren. Wenn ein Mädchen nicht so möchte wie man selber, denkt man
immer an seinen Ruf. Wie ging’s aus?«
    Sie schüttelte ihre Hand. »Ich hab’ ihm
eine geknallt.«
    Er nickte. »Dachte ich mir doch. Hab’
so was gehört gegen elf. Es klang, als wäre ein Reklameluftschiff explodiert.«
    »Jetzt ist es jedenfalls aus, und ich
hab’ meine Ruhe.«
    Der Feigling lächelte. »Langsam,
Schwesterchen. Du wohnst in seiner Nähe, er hört dich, er sieht dich, er riecht
dich. Die ständige, fleischgewordene Versuchung. Irgendwas wird er schon
inszenieren.«
    »Mir gleich. Greis.«
    »Madame?«
    »Fahren wir morgen wieder weg? Ich
möchte mit dir wohin.«
    »Nett von dir, mein Liebling. Aber
morgen geht nicht.«
    Sie zog ihren Schmollmund. »Warum
nicht?«
    »Ach, weißt du — ich habe da ein paar
alte Saufbrüder — genauso vergammelt wie ich — mürrische, griesgrämige Greise —
betagt und gebrechlich —, wir haben da eine Stammkneipe mit einem grantigen
Hundsknochen von Wirt — aber das Bier ist gut und die Schnäpse kalt. Da machen
wir jeden Samstag einen Frühschoppen, und wer nicht kommt, muß den nächsten
finanzieren.«
    »Nein! Ich will wegfahren!«
    »Aber, Bärbelchen —«
    »Nein! Vorhin hast du gesagt, du liebst
mich, und morgen willst du in die blöde Kneipe!«
    »Jaja, aber — Liebe und Frühschoppen
sind zwei ganz verschiedene Dinge — die haben miteinander so wenig zu tun wie
arbeiten und Geld verdienen — ich meine, ich schoppe erst ein bißchen, und dann
liebe ich dich wieder — natürlich liebe ich dich auch zwischendurch weiter —«
    »Wenn du hingehst, komme ich nicht
wieder.«
    »Aber du kannst doch einen alten Mann
nicht erpressen, der mit einem Fuß im Grabe steht! Ein Soldat läßt seine
Kameraden nicht im Stich...«
    »Du bist ein alter Idiot und kein
Soldat!« Sie richtete sich auf unter einem plötzlichen Entschluß: »Ich will
mit!«
    »Bärbelinchen —«
    »Hach. Bärbelinchen! Wenn ich das schon
höre! Nimmst du mich mit oder nicht?«
    Der Feigling schien sich zu winden.
»Ein Weib beim Frühschoppen! Das Ende aller Kultur. Das wird nicht gehen,
Bärbel. Sie werden mich dann

Weitere Kostenlose Bücher