Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Titel: Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
Vom Netzwerk:
bloß zu faul“, „Wenn du dich nicht so blöd anstellen würdest“, „Kein Mensch wird dir glauben“ ... Wenn wir den seelisch erschütterten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen keinen Rahmen der Begegnung geben, innerhalb dessen wir sie vorbehaltlos akzeptieren und ihnen eine vorsichtige und liebevolle Unterstützung anbieten, damit sie ihre zahlreichen Gefühlszustände wahrnehmen, einordnen und koordinieren können, wird sich an ihrem Verhalten, das ihnen Leid macht, auch nichts verändern. Und sie kommen zu uns, weil sie unter unerträglichen Gefühlszuständen und dem sich daraus ergebenden Verhalten leiden: tiefe Trauer, die nicht enden will; abgründige Verzweiflung, die dem Tode zustrebt; Suchtverhalten und Zwänge, die sie nicht in den Griff bekommen; Angst- und Panikanfälle, die das Leben unerträglich machen; Schlaflosigkeit und entsetzliche Albträume; Einsamkeit und Kontaktscheu, ein In-sich-zurückgezogen-Sein, das die Distanz zu den Menschen da draußen immer größer werden lässt. Und Schmerzen, immer wieder diese Schmerzen, die nicht weggehen, auch wenn man den x-ten Arzt aufgesucht hat ...
    Beispiel: Beziehungserfahrung in der Therapie
    Ausgerechnet ich als ehemalige Verhaltenstherapeutin komme, je älter ich werde und je mehr Berufserfahrung ich sammle, immer stärker dazu, das Thema Beziehung(en) generell in den Mittelpunkt meiner Arbeit zu stellen. Das hat auch dazu geführt, dass ich die therapeutische Beziehung für entscheidend wichtig halte, ganz besonders für früh und langjährig traumatisierte Menschen – also die Klientel, mit der ich schwerpunktmäßig arbeite. Lange geduldig „da“ zu sein und fundamentale Beziehungserfahrung anzubieten von Verlässlichkeit, Trost, Zutrauen, Hilfe – eine Lernerfahrung von basalster Beziehungsgestaltung zu ermöglichen, das erst, so glaube ich immer mehr, versetzt die früh traumatisierte Persönlichkeit in die Lage, das alles in sich selbst aufzubauen und danach ihre Traumatisierungen auch verarbeiten zu können, damit die schlimmen Symptome vergehen. Eine meiner Klientinnen mit einer dissoziativen Identität (sie schreibt manchmal über sich und ihre anderen Persönlichkeitsanteile als „Wir“) hat neulich in einer E-Mail an mich geschrieben:
„Mir ging heute Morgen ein Satz aus Ihrer Mail mit dem Trösten nicht aus dem Kopf. Da haben Sie geschrieben: ‚Euch aber gilt es zu trösten, immer wieder, und ich wünsche mir auch für euch dass Ihr das immer besser könnt, so‘ (und da war dann das Bild mit den beiden Bären) [Anm. MH: Ich habe ihr einen Cartoon geschickt, in der ein größerer Bär einen kleineren tröstet]. Danach war so eine kleine Angst losgegangen, dass wir irgendwas falsch machen, dass wir mehr alleine klarkommen müssten, dass wir zu viel zu Ihnen kommen mit den Problemen, etc.
Heute Morgen kamen mir die Gedanken, dass das doch irgendwie gar nicht gehen kann, sich selbst zu trösten, wenn man gar nicht richtig weiß, wie sich das anfühlt. Wir können uns doch imaginativ nur etwas vorstellen, wenn es dazu eine Gefühlserinnerung in uns gibt, oder? Wenn ich noch nie eine Zitrone gegessen habe, dann kann ich mir auch nicht vorstellen, wie die schmeckt. Und dann wird sicherlich bei der ,Zitronenübung‘ auch nicht mein Speichelfluss angeregt und die Gesichtsmuskeln ziehen sich auch nicht zusammen. Wenn man also nicht weiß, wie sich ,Sicherheit‘, ,Geborgenheit‘ oder eben ,Trost‘ anfühlen, dann kann man es sich doch auch nicht innerlich vorstellen und dann reagieren der Körper und die Gefühlswelt auch nicht entsprechend, weil es einfach keine Erinnerungsspur gibt, oder doch?
Ich habe ja heute einigen Leuten mitgeteilt, dass ich am Wochenende nicht kommen kann [Anm. MH: Sie hatte einen schweren Autounfall]. Einige Reaktionen habe ich schon erhalten und je nach Typ sind die anders ausgefallen. Die eine erzählt sofort von ihren Problemen, die Nächste ist ganz sachlich, förmlich, aber einige reagieren so ähnlich, wie Sie das gemacht haben. Sodass ich gedacht habe: ,Hey, das gibt es scheinbar öfter.‘ Es war so was im Sinne von: ,Oh, das tut mir aber sehr leid für dich, da muss es dir ja jetzt so oder so gehen und das und jenes Schwierige musst du gerade durchstehen, viel Kraft dazu.‘ Das ist scheinbar ein ,Nahrungsmittel‘, das wir in unserem Leben noch nicht oft gegessen haben und für das es noch keine wirkliche Erinnerungsspur in unserem aktuellen Wackelpudding-Gehirn gibt, aber dieses Nahrungsmittel

Weitere Kostenlose Bücher