Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)
entwickelte, mit vor allem juckenden schmerzenden Hautausschlägen am ganzen Körper und offenen Stellen. Frau K. berichtete von Situationen in einer Klinik, wo sie nackt vor Studenten habe stehen müssen, damit diese sich diesen besonders schweren Fall einer Autoimmunerkrankung genau ansehen konnten. An solchen Stellen war das Vorliegen eines dissoziativ aufgespaltenen Innensystems bereits ganz offenkundig: Sie erinnerte sich zwar an diese Vorgänge, vernahm jedoch keinerlei innere Beteiligung. Es wäre ihr nicht in den Sinn gekommen, sich gegen diese Art der Behandlung zu wehren. Die Abbildungen 16 und 17 verdeutlichen ihre eigene Vision davon, wie sie diese wahrnahm.
Abbildung 16: „Lupus Erythemathodes“
Abbildung 17: „Verbannt, verstoßen“
Im Verlauf der hiesigen stationären Behandlung tasteten wir uns prozessdiagnostisch langsam an das Vorliegen einer dissoziativen Störung heran. Frau K. war durch vieles geängstigt, war misstrauisch und stand unter Dauerstress, die von außen an sie gestellten Forderungen mit denen aus dem Innensystem in Einklang zu bringen. Sie berichtete, dass der Aufnahme bei uns eine wichtige grundlegende Lebensentscheidung vorausgegangen war, nämlich sich selbst für „das Leben“ zu entscheiden. Es sei „haarscharf“ gewesen.
Abbildung 18
15.2 Malen und Gestalten in der Therapie
Das Malen und Gestalten, eine von Frau Ks wichtigen Ressourcen, half uns oft in der Behandlung. Über den gesamten Therapieverlauf hinweg wurde vieles zuerst in Bildern sichtbar und erst später verständlich.
Frau K. konnte meine Anregungen zum Erstellen einer inneren Landkarte rasch aufgreifen und kreativ umsetzen: Jeder, der Frau K. zu diesem Zeitpunkt schon bekannten Innenanteile bekam eine etwa postkartengroße Karte mit Abbildungen darauf, die in symbolisierter Weise den Anteil und seine Funktion im System wiedergaben. Die Anteile konnten sich natürlich nur nach und nach zeigen; die funktionalen und unterstützenden wurden dabei zuerst deutlich. Es schien, als ob die Persönlichkeitsanteile fast darauf „gewartet“ hätten, über den therapeutischen Kontext wahrgenommen und zur Sprache gebracht zu werden.
Abbildung 19: „Memories“
Abbildung 20: „Mir auf der Spur“
Abbildung 21: „Are you here?“
Abbildung 22: „Wer bin ich?“
Viele der aktuell schwierigen Situationen und inneren Kämpfe wurden besser verständlich, wenn wir die Kärtchen jeweils so auf den Boden im Therapiezimmer auf einer großen Pappunterlage anordneten, wie sie am Zustandekommen des aktuellen Geschehnisses Anteil hatten. So wurde sichtbar, wer vom Innensystem z. B. verängstigt auf eine bestimmte Situation reagiert hatte, wer dadurch noch alarmiert worden war, wer dann mit welchen Maßnahmen eingegriffen hat und wie ein „Beobachter“ das Ganze abgespeichert und zur Nachbesprechung mitgebracht hatte. Die Kärtchen für die Innenanteile blieben zur Sicherheit bei mir im Therapiezimmer, eine Zweitausgabe „im Handtaschenformat“ hatte Frau K. stets bei sich, um auch alleine in besserem Kontakt mit ihren Innenanteilen zu verbleiben, zwischendurch mal einen sogenannten runden Tisch zu machen, wenn etwas entschieden werden musste, und Ähnliches.
Während es auf der einen Seite über diese Arbeit mit der inneren Landkarte und viele gemalte Bilder und Specksteinarbeiten vergleichsweise leicht schien, das Innensystem zu erreichen, verstärkte sich die Symptomatik der Autoimmunerkrankung und es melden sich auch deutlicher Anzeichen für ein destruktives Geschehen. Es kam zu Selbstverletzungen und zwanghaftem Grübeln darüber, selbst schuld an dem Inzest und den anderen sexuellen Gewalttätigkeiten zu sein, da sie ja ein „Bastard“ und nichts wert sei.
Es konnte auch bereits ein als „Bastard“ bezeichneter Innenanteil identifiziert werden, (dargestellt auf seiner Karte in Schwarz-Rot mit einem Schwert, einer Pistole und einem Blitz), der so etwas wie „die Nabelschnur zum Zwillingsbruder“ war, und der auch die schwere Hauterkrankung „gut“ fand, zumal er selbst dabei nichts verspüre. Obwohl die Zusammenhänge langsam verständlich wurden, konnte nicht verhindert werden, dass die psychotherapeutische Behandlung durch eine Verlegung in die Hautklinik unterbrochen werden musste, um dort die medikamentöse Behandlung anzupassen. Wenigstens war Frau K. so weit gut darauf vorbereitet, dass sie sich im Hinblick auf den Umgang mit ihrem Körper besser abgrenzen und verhindern konnte, allen
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