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Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Titel: Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
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beschrieben, ihre Aggressionen gegen schwächere Anteile im Innern, welche die Misshandlung erlitten haben, um sie zum Schweigen zu bringen und selbst ein Gefühl der Macht zu erlangen.
    MH: Ist das Vorhandensein und Auftauchen eines Täterintrojektes, das Sie einen Täter imitierenden Anteil nennen, ein Zeichen dafür, dass eine Persönlichkeit auch selbst zum Täter werden kann? Was unterscheidet einen (zukünftigen) Täter von einem (erneuten) Opfer?
    OvdH: Ich glaube nicht, dass täterimitierende Anteile notwendigerweise ein Zeichen dafür sind, dass man selbst zum Täter werden kann – in dem Sinne, Kinder oder Frauen anzugreifen, also andere Menschen zum Opfer zu machen. Es gibt jedoch ein Risiko, dass einige darunter sind, die es tun könnten. Ich vermute, dass täterimitierende Anteile in der Tat nicht nur andere dissoziierte Persönlichkeitsanteile misshandeln können, sondern auch Menschen in der Außenwelt, etwa Kinder und Frauen. So ein Acting-Out kann zum Beispiel ursprünglich in einer Situation aufgetreten sein, in der ein kindlicher Anteil die Misshandlung wiedererlebt. Das hat den täterimitierenden Anteil auf den Plan gerufen und irgendwie dazu geführt, dass innere und äußere Realität in der Wahrnehmung durcheinandergerieten. Es ist jedoch auch möglich, dass der täterimitierende Anteil, indem er einen anderen Menschen zum Opfer macht, ein besonders starkes Machtgefühl entwickelt. Das ist dann eine Art operanter Konditionierung, die wiederum die Wahrscheinlichkeit erhöht, weiterhin andere Menschen zu missbrauchen. Außerdem dürfen wir die Möglichkeit nicht außer Acht lassen, dass der oder die ursprünglichen Täter das Kind gezwungen haben können, anderen etwas anzutun – auch das wäre eine Art operanter Konditionierung.
    Letztlich sollten wir uns die Persönlichkeit als Ganzes ansehen, einschließlich ihrer Kernüberzeugungen. Ich kenne Mütter mit einer dissoziativen Identitätsstörung, die als Gesamtpersönlichkeit zu der Überzeugung gelangt sind, dass die Misshandlung ihrer eigenen oder anderer Kinder überhaupt nicht infrage kommt – auch wenn in ihrem Innern die täterimitierenden Anteile den anderen das Leben schwer machen können. Eine derartige ethische Einstellung kann sich sogar in solchen Müttern entwickeln, die tatsächlich gezwungen wurden, anderen Kindern Gewalt anzutun, wenn sie in der Lage waren, Mitgefühl für die Opfer sowie intensive Schuld- und Schamgefühle hinsichtlich dessen zu empfinden, was sie da tun mussten.
    MH: Bei ritueller Gewalt, also organisierter sadistischer Ausbeutung, „schaffen“ Täter bewusst Anteile, die sich „böse” und täterloyal verhalten sollen, ohne dass das Verhalten, das diese Opfer-Anteile zeigen sollen, eine direkte Imitation des Täters darstellt. Was sagen Sie dazu?
    OvdH: Ja, das stimmt, in rituell misshandelten Menschen finden wir dissoziative Anteile, die den Befehlen ihrer „Führer” gehorchen. Ich würde sie nicht „täterimitierende Anteile” nennen, aber ich weiß bislang nicht, wie ich sie sonst nennen soll. Mir sind sie in der Therapie häufig begegnet, wo sie ebenfalls intensive Schuld- und Schamgefühle über ihre erzwungen zerstörerischen Handlungen zum Ausdruck gebracht haben.Vielleicht könnten wir sagen: Ja, es sind dann täterimitierende Anteile, wenn sie eine Befriedigung aus ihren zerstörerischen Handlungen ziehen, denn dann war operante Konditionierung am Werk. Ich würde sie aber nicht täterimitierende Anteile nennen, wenn sie nur in einer aussichtslosen Lage zu solchen Handlungen gezwungen wurden und dabei Seelenqualen, Scham und Schuldgefühle empfanden.
    MH: Welche Empfehlungen für die Psychotherapie ergeben sich daraus?
    OvdH: Es ist unerlässlich, dass die TherapeutIn den täterimitierenden Anteilen hilft, Verbündete des therapeutischen Prozesses zu werden. Gelingt dies, so können sie wesentliche Beiträge zum Gelingen der Therapie leisten; misslingt es, dann können diese Anteile weiterhin die Therapie sabotieren und das Leben der KlientIn sehr unglücklich machen.
    Das erste Behandlungsprinzip ist, empathisch zu sein gegenüber dem oder den Alltagspersönlichkeitsanteilen und den angstvollen emotionalen Anteilen, die sich für die täterimitierenden Anteile schämen. Gleichzeitig sollte die TherapeutIn über die Entstehung und Funktion dieser Anteile aufklären und das vielleicht anhand von Beispielen anderer Misshandlungs-Überlebender verdeutlichen. Der entscheidende Punkt ist ja,

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