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Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Titel: Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
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Einzelfall differenziert abgeklärt werden. Bei mindestens 50 % der schweren Gewalt- und Sexualstraftäter finden wir solche negativen Entwicklungsfaktoren nicht. Hier dürften für einen Teil der Fälle frühe (relativ) determinierende Persönlichkeitsfaktoren ebenso eine Rolle spielen wie selbst gewählte Entscheidungen für einen bestimmten Sozialisationsprozess bzw. Lebensstil.
    MH: Welche Täter haben eine realistische Chance auf Veränderung, welche nicht, und wie finden Sie das heraus?
    FU: Es gibt eine kleine Gruppe hochgefährlicher, unbehandelbarer Straftäter, die es frühzeitig zu identifizieren und zu sichern gilt, etwa durch Sicherungsverwahrung. Kern dieses Identifikationsprozesses ist eine möglichst professionelle und differenzierte Risiko- und Therapieerfolgseinschätzung. Wichtig ist hierbei, die entsprechenden Standards für solche Einschätzungen einzuhalten (differenzierte Auseinandersetzung mit dem Einzelfall, genaues Aktenstudium, Einsatz standardisierter Risikobeurteilungsinstrumente etc.).
    Wir haben im Jahr 2006 selber eine Studie zu unbehandelbaren „High-Risk-Offendern“ durchgeführt. Es handelte sich um acht Täter, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben entlassen werden mussten, obwohl sie gemäß unserer Risikoeinschätzung alle als hoch rückfallgefährdet und unbehandelbar galten. Alle Täter wurden schwer rückfällig. Durch die Entlassung dieser acht Hoch-Risiko-Täter gab es 24 neue Opfer von schweren Gewalt- und Sexualdelikten. Die High-Risk-Offender-Studie hatte maßgeblichen Einfluss darauf, dass in der Schweiz im Jahre 2007 das Instrument der nachträglichen Sicherungsverwahrung eingeführt wurde – im Übrigen anders konstruiert als in Deutschland, nämlich nicht an „neue Tatsachen“ gebunden, sondern als nachträgliche Fehlerkorrektur eines „falschen Gerichtsurteils“ im Sinne eines Revisionstatbestandes.
    MH: Immer wieder wird beklagt, dass Täter ein Anrecht auf Therapie, die Opfer aber unendliche Schwierigkeiten haben, eine Psychotherapie finanziert, geschweige denn ihre sonstigen Kosten ersetzt zu bekommen. Ihre Meinung dazu?
    FU: Ich finde es falsch, Therapie- und Betreuungsangebote für Straftäter und für Opfer gegeneinander auszuspielen. Es ist kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl–als-auch. Therapien für Straftäter sind eine Frage der Vernunft. Es ist zu berücksichtigen, dass 99 % aller Gewalt- und Sexualstraftäter ohnehin irgendwann entlassen werden, spätestens wenn sie ihre endliche Freiheitsstrafte verbüßt haben. Da man zudem weiß, dass sich durch geeignete Therapien 30 bis 50 % der Rückfälle verhindern lassen, ist Therapie effektiver Opferschutz. 30 bis 50 % weniger Rückfälle heißt, 30 bis 50 % weniger Opfer. Genauso richtig ist es aber auch, dass Opfer unsere volle Solidarität und Zugang zu effektiven Betreuungs-, Unterstützungs- und Therapieangeboten haben. Das zu gewährleisten ist ebenso eine gesellschaftliche Verpflichtung wie die Verhinderung zukünftiger Straftaten. Von daher ist es falsch, zwischen beiden notwendigen und legitimen gesellschaftlichen Verpflichtungen einen Gegensatz aufzubauen. Beides ist notwendig, beides sind zwei unterschiedliche Seiten derselben Medaille.
    MH: Das Konzept in Zürich (Zürcher PPD-Modell) ist anders als der deutsche Strafvollzug – inwiefern? Was machen Sie besser?
    FU: Das Zürcher Modell ist ein konsequent auf Prävention ausgerichteter Justizvollzug. Von zentraler Bedeutung ist die strukturelle und organisatorische Integration eines fachlich unabhängigen Kompetenzzentrums für forensische Psychiatrie und Psychologie in die Strukturen der Justiz. Der Psychiatrisch-Psychologische Dienst (PPD) ist ein gleichberechtigter, in die übergeordneten Entscheidungsstrukturen eingebundener Partner des Gefängniswesens, der Bewährungshilfe und der Strafvollstreckung.
    Wesentliche Aufgabe des Dienstes ist die Sicherstellung der flächendeckenden Verfügbarkeit professioneller Risikobeurteilungen sowie spezifischer risikosenkender Therapien für rückfallgefährdete Straftäter. Mit aktuell ca. 60 Mitarbeitern werden bei insgesamt 1500 Straftätern jährlich ca. 12000 Konsultationen durchgeführt. Ungefähr 250 hoch rückfallgefährdete Gewalt- und Sexualstraftäter befinden sich jeweils in deliktpräventiven Therapieprogrammen.
    MH: Wie erfolgreich ist dieses Zürcher PPD-Modell?
    FU: Die Ergebnisse unserer Arbeit werden fortlaufend evaluiert. Gegenwärtig weisen die von uns behandelten, hoch

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