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Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Titel: Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
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„Nein, eigentlich nicht“, sagte sie. „Hm“, sagte ich, „Sie selbst haben ja keine blauen Augen ...“ – „Das stimmt, meine Augen sind dunkel“, sagte sie. Und ich fragte weiter: „Sie wissen nicht, was Ihr Unbewusstes mit diesen blauen Augen signalisiert hat?“ – „Nein!“ Sie schaute mich ratlos an. Ich atmete einmal ein und einmal aus, und dann wagte ich es: „Gibt es jemanden in Ihrer Familie, der blaue Augen hatte?“ – „Ja, mein Vater hat blaue Augen!“ Bingo. Den Rest der Stunde verbrachten wir damit, dass Frau Z. und ihre vielen Innen-Anteile diese Information „verdauten“. Frau Z. ist eine kluge Frau. Sie war einfach nur „blind für den Verrat“. Sie realisierte zu diesem Zeitpunkt in ihrer Alltagspersönlichkeit noch nicht, dass ihr Vater sie immer noch quälte. In ihrer Alltagspersönlichkeit war sie bis zu diesem Moment überzeugt gewesen, dass ihr Vater längst fern von ihr war. Um sie aus ihrer Schreckreaktion etwas herauszuholen, fragte ich dann, was wohl die „Ds“ auf ihrem Bild bedeuteten. Das war einfacher für sie: Die „Ds“ signalisierten, so Frau Z. – und das habe sie bewusst so gemalt –, dass es noch einige „destruktive“ Anteile in ihr gab, die bislang noch draußen geblieben waren aus dem therapeutischen Prozess. Trotzdem ergab alles zusammen bereits eine Figur: ein Gesicht. Auch das war ihr bis zu diesem Augenblick gar nicht bewusst geworden. Doch beim Hinschauen in dieser Therapiestunde verstand sie es, und wir konnten darüber sprechen:
    Der Mund schwieg und beobachtete nur. Die Augen überwachten alles und waren mächtig; gemeinsam mit den Ds beherrschten sie die Figur in der Mitte. Dort war schon etwas zusammengewachsen, was ein Fortschritt war im Vergleich zu ihrem früheren Selbstgefühl von Zerrissenheit. Aber jetzt galt es offenbar, den Ds, den Augen und der Beobachterin, die „vielleicht auch sprechen könnte“, in der Therapie mehr Raum zu geben.

    Abbildung 11
    Sie können an diesen Bildern erkennen, wie wertvoll es sein kann, nicht sprachliche Therapieverfahren wie Kunsttherapie, Ergo- und Gestaltungstherapie in die Arbeit mit einzubeziehen. Wie viel mehr alle Beteiligten hinterher wissen können, als sie vorher wussten (siehe Interview 5 mit Renate Stachetzki in diesem Buch).
    Wenn deutlich geworden ist, dass es noch destruktive oder boykottierende Anteile der Persönlichkeit gibt, die bislang nicht in die Therapie mit einbezogen waren, führt das für viele KlientInnen häufig zunächst zu einer Krise: „Ich habe doch schon sooo viel gearbeitet, und da ist immer noch so etwas Zerstörerisches, immer noch so viel ‚anti‘. Ich merke das an Schmerzen, und manchmal, wenn Sie etwas sagen, lacht es hämisch in meinem Kopf“, sagte einmal eine KlientIn zu mir. Eine andere klagte: „Die werden nie, nie, nie mit Ihnen reden!“ Und doch war es gar nicht so schwer, als wir es dann versuchten. Denn sobald ich ein ernsthaftes Interesse signalisiere, wirklich zuzuhören, bekomme ich Kontakt auch mit den boykottierenden oder destruktiven Innenanteilen einer Persönlichkeit. Auch und sogar ganz besonders, wenn die Persönlichkeit hoch dissoziativ ist, also Ego-States hat oder eine dissoziative Identität (multiple Persönlichkeit). Viele KollegInnen fürchten die Arbeit mit solchen KlientInnen, aber auch hier möchte ich eine Ermutigung aussprechen und werde einige Beispiele in diesem Buch dafür bringen (siehe: Interview 7 mit Sandra , oder  Interview 4 mit Frau K .).
    12.3 Hinweise für die Arbeit mit schwierigen Persönlichkeitsanteilen
    Bevor ich auf diese direkten Gespräche mit Täterintrojekten eingehe, hier noch ein paar Hinweise: Wenn Sie sich an die Arbeit machen, sehr tabuisierte und „schwierige“ Persönlichkeitsbereiche in der KlientIn zusammen anzuschauen, schauen Sie doch vielleicht, ob Sie die Voraussetzungen dafür haben (siehe  Kapitel 10 „Therapie – aber wie?“ ).
    Das Allererste ist natürlich: Haben Sie eine vertrauensvolle therapeutische (oder beraterische) Beziehung zusammen geschaffen?
    Das Zweite ist: Gibt es für die KlientIn schon wenigstens minimal das Gefühl, „Boden unter den Füßen“ zu haben?
    Das Dritte ist: Gibt es ein Einvernehmen darüber, dass alle Anteile und Bereiche (und bei hoch dissoziativen Menschen: alle „Leute da innen“) in der Therapie willkommen sind?
    Das Vierte ist: Kann die Alltagspersönlichkeit (bei hoch dissoziativen Menschen: die Alltagspersönlichkeiten) immer wieder

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