Der Feind im Spiegel
dritten Geburtstag zusammen gefeiert, ohne sich auch nur einmal zu streiten. Für die Kleine war es ein wunderschöner Tag gewesen, auch die Gäste hatten sich wohl gefühlt. Warum konnte es nicht immer so sein? Denn es war bestimmt nicht nur seine Schuld, daß sie so oft nicht imstande waren, vernünftig miteinander umzugehen.
Sie nippte an ihrem Wein, zündete sich eine Zigarette an und dachte an Per und an Niels. Sie hatte einen Pulli angezogen, aber sie fröstelte trotzdem. Die richtig lauen Sommerabende hatte es in diesem Jahr noch nicht gegeben, aber das Licht war phantastisch, und man mußte einfach so oft wie möglich draußen sein.
Niels war ganz anders als Per. Ganz anders.
Er war ein paar Jahre jünger als sie, aber das war nicht das Entscheidende. Er war intellektuell ein völlig anderer Typ. Er war Pressemitarbeiter im Parlament. Sie hatte sich nicht in den Folketingsabgeordneten, sondern in seinen Spindoktor verknallt. Verknallt war vielleicht zuviel gesagt, aber es war angenehm und charmant, mit ihm zusammenzusein. Das Wort »fürsorglich« beschrieb ihn vielleicht am besten. Gebildet und begabt. Sie konnten sich über Literatur und Musik unterhalten, und wenn sie über Politik und Gesellschaft diskutierten, lagen ihre Ansichten nicht weit auseinander. Sie gingen gern ins Kino oder ins Theater und lasen dieselben Bücher. Niels verstand es, mit Worten umzugehen und seine Gedanken zu formulieren. Auch seine Gefühle übrigens. Er war ein moderner Mann. Sie hatten viel miteinander gemein. Warum war sie dann eigentlich nicht richtig in ihn verliebt? Schon möglich, daß sie mit Per nicht über die neuesten Bücher reden konnte, aber dafür konnte er so viele andere Sachen, dachte sie und fühlte sich einen Moment lang unsicher und kindisch. Oberflächlich sah ja alles ganz wunderbar aus, aber im Grunde war es ein Riesenchaos. Gefühle ließen sich nicht einordnen und in praktische Schubladen verstauen wie andere Dinge. Es war gut, daß sie fürs erste getrennte Wohnungen hatten. Aber sich scheiden lassen? Wollte sie das wirklich? Hatte sie insgeheim etwa noch immer die klitzekleine Hoffnung, daß sie sich wieder vertragen würden? Es sah allerdings nicht gerade rosig aus. Sie hatten kaum etwas gemeinsam. Sex war natürlich alles andere als nebensächlich, aber konnte man ein ganzes Leben darauf aufbauen, daß der Mann seines Lebens einen an die Hand nahm und zum Doppelbett führte, sobald in der Beziehung ein Problemchen auftauchte? Warten wir mal den Sommer ab, dachte sie. Dann würden sie weitersehen.
Lise hörte, wie die Autotür ins Schloß fiel. Und sie hörte Freyas fröhliches Plappern. Sie stand auf, als die beiden durch den Garten kamen, und ging in die Hocke, um die Kleine in die Arme zu schließen. Sie bemerkte, daß Per zwar sein übliches offenstehendes Hemd und die verwaschene Jeans anhatte, aber auch eine neue Lederjacke. Er hielt Freyas Teddytasche und ihren kleinen Wochenendkoffer in der Hand. Das Kind rannte über den Rasen, den Niels eigentlich gegen ihren Willen gemäht hatte. Irgendwie war ihr das zu intim gewesen. Als hätte er, indem er in ihrem und Pers Haus plötzlich anfing, sich nützlich zu machen und herumzuwerkeln, eine Grenze überschritten. Per folgte dem Kind und setzte sich auf den Gartenstuhl, auf dem er immer gesessen hatte.
»Hallo, Lise«, sagte er nur.
»Habt ihr Spaß miteinander gehabt? War’s schön mit Papa, Schätzchen?«
»Ja. Wir haben Affen gesehen und Seelöwen und war’n im Badeland und haben in einem Restaurant gegessen, aber ich und Papa haben auch Essen gemacht und Geschichten gelesen.«
Sie ließen sie plappern. Sie sah glücklich aus und ein klein wenig müde.
»Möchtest du einen Wein, Per?«
»Gern. Einen Schluck.«
Freya hatte bald keine Lust mehr zu erzählen, sie wollte ins Haus und einen Kinderfilm sehen, ehe sie schlafen ging. Lise legte ihr eine Videokassette ein und setzte sie mit ihrem Lieblingsteddy ins Sofa. Dann kam sie mit einem Glas Rotwein für Per wieder in den Garten. Er saß entspannt und ziemlich lässig auf seinem Stuhl neben dem Gartentisch aus dunklem Holz, den sie zusammen gekauft hatten.
»War sie brav?« fragte Lise.
»Kein Thema. Sie war so was von süß. Sie redet von dir und vermißt dich, wenn sie abends ins Bett soll, ist doch normal, oder? Aber sonst hatten wir ein tolles Wochenende.«
»Du siehst auch gut aus. Nicht mehr so müde wie vor einem Monat.«
»Gleichfalls. Ich meine, daß du auch gut
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