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Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Anfang, nicht wahr, Fatima?«
    »Stimmt.«
    »Jetzt siehst du aus wie ein Däne«, sagte die Freundin und nippte geziert an ihrem Kaffee.
    »Ich bin ja auch einer. Und wiederum nicht. Ich bin es wahrscheinlich irgendwie geworden. Wie ihr beiden doch auch. Wir sind doch Dänen, oder?«
    Sie lachten. Wie zwei Mädchen in der Schulpause.
    »Willkommen in der Realität«, sagte Nilüfer. »Auf welchem Planeten lebst du eigentlich?« Dann lachten sie wieder. Am Nachbartisch saßen zwei ältere Damen vor einer Tasse heißer Schokolade und einem großen Stück Torte. Sie waren adrett gekleidet, trugen Perlenketten und Armreifen und hatten ordentlich Schminke auf ihre vollen Wangen aufgetragen. Neben den Tischbeinen hatten sie ihre imposanten Einkaufstüten geparkt. Mißbilligend schauten sie zu Vuk und seinen lachlustigen Begleiterinnen hinüber. Nach ein paar Minuten rafften sie ihre Einkaufstüten an sich und gingen.
    Vuk wartete, bis die jüngeren Damen zu Ende gekichert hatten, und fragte dann: »Und du, Nilüfer? Bist du verheiratet?«
    Die Frage löste einen erneuten Heiterkeitsanfall aus, und Fatima drohte Nilüfer scherzhaft mit dem Zeigefinger. Die beugte sich über den Tisch, richtete sich dann auf und wurde ein wenig ernster. Aber sie hatte noch immer diese lustig blitzenden Augen, als wäre sie ständig auf Streiche aus. Vuk fand das eigentlich ziemlich attraktiv.
    »Nein«, sagte sie, »aber ich bin auf dem besten Wege. Sagen alle. Meine Eltern hatten schon einen Vetter für mich gefunden, aber den will ich nicht, jetzt suchen sie nach einem neuen Vetter, und so vergeht die Zeit. Er kann auch nicht nach Dänemark ziehen, wegen der neuen Gesetze. Er ist nicht älter als zwanzig, genau wie ich. Das ist prima. So vergeht die Zeit.«
    »Du liebst ihn nicht.«
    »Was hat denn das damit zu tun, Janos?«
    Er zuckte die Schultern.
    »Wach auf, Mann«, sagte Nilüfer. »Meine Eltern leben in einer andern Welt.«
    »Du bist zu hart, Nilüfer«, sagte Fatima. »Sie wollen nur dein Bestes. Es ist deine Familie.«
    »Ich will nicht heiraten. Nicht ihn. Und auch keinen anderen. Punktum und basta.«
    »Nilüfer ist noch jung und nicht sehr vernünftig«, sagte Fatima. Diesmal lachte Nilüfer nicht mehr. Sie trank den letzten Schluck Kaffee und kratzte ihre Kuchenreste vom Teller.
    »Und was ist mit dir?« fragte Vuk.
    Er mußte langsam zum Wesentlichen kommen.
    »Ich habe einen guten Mann.«
    »Auch ein Vetter«, sagte Nilüfer und lachte nicht.
    »Mein Mann ist ein guter Mann. Er sorgt für uns. Er hat einen großen Schnurrbart, wie wir sagen. Er besitzt zwei Pizzerien und zwei Kioske. Er arbeitet sehr hart. Er ist ein guter Mann.«
    Nilüfer rutschte auf ihrem Stuhl hin und her und sah weg.
    »Das freut mich aber«, sagte Vuk, und Fatima fuhr fort: »Er ist gut zu den Kindern. Und zu mir. Ich versuche immer, Nilüfer klarzumachen, daß es vollkommen in Ordnung ist, wenn ihre Eltern einen Mann für sie suchen, solange die letzte Entscheidung bei ihr liegt, aber Nilüfer will nichts davon hören.«
    »Also du bist glücklich. Wolltest du nicht Ärztin werden? Oder war es Ingenieurin?«
    »Ach, man will so viel, wenn man jung ist.«
    Jetzt wollte er sich dem Kern der Sache nähern, ehe sie wieder anfingen zu kichern.
    »Und deine Eltern? Wie geht’s denen?«
    »Mein Vater ist ein bißchen alt geworden, aber es geht ihnen gut. Sie reden immer noch davon, wieder nach Hause zurückzugehen, aber da glaube ich nicht mehr dran. Sie haben’s gut hier, und alle Freunde meines Vaters wohnen in Ishøj; jeden Tag treffen sie sich im Klub, und Fernsehen kann er über Satellit empfangen, ich glaube, er bleibt hier. Alles andere ist nur Gerede. Nicht mal meine Mutter nimmt das noch ernst.«
    »Und dein Bruder? Wie hieß er doch gleich? Mustafa? Wie geht’s ihm denn?«
    Ihre Augen flackerten ein wenig, und ihre ganze Körperhaltung schien steifer zu werden, aber ihre Stimme war ruhig, als sie entgegnete: »Mustafa geht’s gut.«
    »Was macht er denn so?«
    »Warum fragst du?«
    Vuk setzte sein schönstes Lächeln auf und löste die Hände von der Kaffeetasse.
    »Einfach Neugierde. Ich weiß noch, daß er dich immer zur Schule brachte und wieder abholte.«
    »Ja, er war ein sehr wachsamer großer Bruder«, sagte sie, aber da mischte sich Nilüfer ein.
    »Fatima. Warum sagst du’s nicht einfach? Mustafa ist fromm geworden.«
    »Ach, laß mal, Nilüfer. Das interessiert Janos doch nicht.«
    Aber Nilüfer ließ sich nicht

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