Der Feind im Spiegel
aussiehst. Wie immer.«
»Ach. Ich weiß nicht. Trotzdem danke.«
Sie zündete sich eine Zigarette an. Per sah weg, aber er sagte nichts. Ein bißchen müde sah er immer noch aus, er hatte tiefe Falten um die Augen und eine zerknitterte Stirn vom Streß. Natürlich hatte sie keine Ahnung, was er im Augenblick so trieb, aber ihn danach zu fragen, darauf hatte sie gelinde gesagt auch keinen Anspruch mehr.
Er nahm einen Schluck Wein.
»Wer ist eigentlich Niels, Lise?«
»Warum fragst du?«
»Freya hat von einem Niels gesprochen, der euch besucht und ihr Geschichten vorliest. Niels ist nett, sagt Freya.«
»So, sagt sie das.«
»Ja, das sagt sie. Wer ist er? Ein neuer Liebhaber?«
»Was heißt ›neu‹?«
»Also ein alter?«
»Ja, wahrscheinlich.«
»Also was nun? Alt oder neu?«
Sie sog nervös den Rauch ihrer Zigarette ein und sagte: »Jetzt hör mal auf, Per. Das bringt doch nichts.«
»Freya ist auch mein Kind, nicht? Ich habe also ein gewisses Interesse daran, wer hier bei ihr und ihrer Mutter übernachtet.«
Lise schäumte.
»Neuer Rekord! Diesmal hast du keine zwei Minuten gebraucht, um eine unschuldige Unterhaltung in ein Verhör zu verwandeln. Möchtest du seine Personennummer haben, damit du deine verfluchten Register nach ihm durchsuchen kannst? Ist es das, was du willst?«
»Es gibt doch keinen Grund, gleich so sauer zu sein. Ich habe ja bloß gefragt.«
Sie lehnte sich über den Tisch. »Ja, er ist mein ›Liebhaber‹. Mit dem ich mich treffe. Und mehr nicht. Einziehen wird er hier nicht. Auf jeden Fall noch nicht. Und ehrlich gesagt, kann dir das schnurzegal sein. Ich schnüffle ja auch nicht in deinen Privatangelegenheiten rum, oder?«
Toftlund sah sie an, trank aus und stand auf.
»Dann mach’s mal gut, Lise. Ich sag eben noch Freya tschüs.«
»Per, jetzt hab dich doch nicht so!«
»Ich rufe an wegen Freya und Urlaub. Ciao.«
Er nahm den Kreisverkehr mit quietschenden Reifen und raste den kleinen Hügel hinauf, wo er dann doch den Fuß vom Gas nahm und sich zusammenriß, trotz der rasenden Eifersucht. Sie hatte im Garten so klasse ausgesehen, und einen kleinen Moment lang hatte er vor sich hin geträumt: Freya in die Heia und dann einfach dableiben. Statt dessen hatte er brüsk und ungehobelt nachgebohrt, ganz der dämliche Bulle, als der er sich so gerne aufführte. Als wenn er Lise etwas vorzuwerfen hätte. Aber wer, Herrgott sakra, war dieser bescheuerte Niels? Er hatte ja wohl ein Recht, das zu erfahren! Es war ein so wunderschönes Wochenende mit Freya gewesen. Jede Minute hatte er mit dem Kind genossen. Nur sie beide ganz allein. Er hatte sie hemmungslos verwöhnt, und sie hatte es ihm wunderbar vergolten. An seine Arbeit hatte er kaum einen Gedanken verschwendet. Das war ihm seit Ewigkeiten nicht passiert. Warum mußte es wieder so beschissen enden? Im Grunde wußte er es ja. Weil er ein Hornochse war. Aber wenn er nun vor die Entscheidung gestellt wurde, wollte er Lise dann wirklich wiederhaben? Sie hatte ihn vor die Tür gesetzt. Wollte er sie vielleicht nur zurück, weil er von ihr verschmäht worden war? Und wollte er auf Aischa und ihren wilden Desperadosex eigentlich gerne verzichten?
Er fuhr zur Ganløser Hauptstraße hoch und bog links auf den Parkplatz vor der imposanten Würstchenbude und der Sparkasse. Er schaltete sein Handy an und wählte.
»Hallo, hier Aischa.«
»Ich bin’s.«
»Hej, Per!«
»Wie geht’s? Was machst du so?«
»Ich? Nichts Besonderes. Ich komme eben aus der Dusche und wollte früh ins Bett und ein bißchen schmökern. Aber … wenn du was Besseres anzubieten hast – du weißt ja, wo ich wohne.«
*
Am nächsten Morgen setzte Per Aischa an der Ecke ab, damit sie nicht mit ihm zusammen in der Villa in Brønshøj aufkreuzte. Er küßte sie flüchtig auf den Mund und dachte an die Nacht und den Morgen und bekam schon wieder Lust auf sie. Sie strich ihm mit der Hand über die Wange und gab ihm ebenfalls einen raschen Kuß, ehe sie aus dem Wagen stieg. Er sah ihr im Rückspiegel hinterher, wie sie mit langen Schritten die Villenstraße hinunterging. Er selber mußte zu Vuldom. Sie hatten ihre Affäre verheimlicht, jedenfalls hatten sie sich so diskret wie möglich verhalten, aber Toftlund war natürlich sonnenklar, daß Toves Aufmerksamkeit nichts entging. Das heißt, Vuldom wußte ebenfalls, was Sache war. Aber im Augenblick waren Tove und Charlotte im Urlaub. Die Aktivitäten der Gruppe hatten sich ein bißchen reduziert.
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