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Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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ist.«
    »Okay. Und was hat eure Recherche ergeben, da du dich nun also dazu herabläßt, deine Chefin zu unterrichten?«
    »Normale Familie. Der Vater hat sein Leben lang geackert und ist jetzt in Rente. Die Tochter, Fatima, wohnt ebenfalls in Ishøj und ist mit einem Mann aus der Heimat verheiratet, der auch nicht gerade faul ist und gut zurechtkommt. Er hat zwei Pizzerien und zwei Gemüsegeschäfte. Die Steuerbehörden haben nichts gegen ihn vorliegen. Wir haben die Überwachung eingestellt. Da ist nichts zu holen. Das schwarze Schaf ist Sohnemann Mustafa, geboren in der Türkei, aber dänischer Staatsbürger mit allen möglichen Jobs, dazwischen lange Phasen, in denen er vom Geld anderer Leute gelebt hat. Als junger Kerl ein Kleinkrimineller. Ein paar Kioskeinbrüche und Gewalttätigkeiten, aber dann ist er so viele Jahre sauber geblieben, daß sein Strafregister heute leer ist. Inzwischen ist er 38 Jahre alt. Der Handyvertrag ist vor fünf Jahren gekündigt worden. Da ist er nach Afghanistan gegangen, sagen die Leute im Milieu. Er wurde fromm. Vielleicht sogar heiliger Krieger.«
    »Interessant, Toftlund. Wie wär’s, wenn wir ihn zu einem kleinen Gespräch einladen würden?«
    »Das wollten wir auch schon tun. Aber er ist weg.«
    »Wie, weg?«
    »Ausgewandert. Am 3. Juli 2001 hat er sich im Einwohnermeldeamt abgemeldet und lediglich mitgeteilt, daß er auswandert. Da er kein festes Eigentum hat und weder der öffentlichen Hand noch sonst jemandem etwas schuldet, ist dies sein gutes Recht. Er kann sich aufhalten, wo immer er will: Türkei, Afghanistan, Irak, Syrien, Frankreich, England. Such dir was aus.«
    »Was ist mit seinen Fingerabdrücken?«
    »Die haben wir. Er steht ja im Kriminalregister.«
    »Schick sie raus.«
    »Obwohl ich weiß, daß es ungesetzlich ist, Vuldom? Aus dem eigentlichen Strafregister ist er doch längst gelöscht. Er hat sich in den letzten zehn Jahren nichts zuschulden kommen lassen.«
    »Auf jeden Fall brauchen wir sie.«
    »Das ist bereits erledigt.«
    »Prima. Ich werde drüber nachdenken. Aber ich schätze, du denkst dasselbe wie ich, oder?«
    Toftlund nickte und sagte: » Si, Jefe. Finden wir Mustafa, finden wir auch den Thronfolger. Es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn sich zwei Dänisch sprechende heilige Krieger nicht kennen!«

24
    Toftlund betrat das dänische Parlamentsgebäude Christiansborg und fühlte sich sehr unwohl. Er zog ein Leben außerhalb des Rampenlichts vor, und nun sollte er auf einmal einem dieser Organe gegenüberstehen, mit denen die vom Volk gewählten Politiker in Dänemark die Geheimdienste überprüfen.
    Für Vuldom war es eine Informationsveranstaltung, aber Toftlund kam es eher so vor, als ob der Kontrollausschuß ihn verhören wollte. Dieser Ausschuß erlaubt es dem Parlament, sich einen gewissen Überblick über den Stand der Ermittlungen zu verschaffen, freilich werden dabei keine operationellen Details oder Namen preisgegeben. Er hat fünf Mitglieder, die genau wie in den anderen Ausschüssen von den Parteien entsprechend der Anzahl ihrer Folketingsmandate eingesetzt werden. Allerdings ist dabei nicht vorgesehen, daß die Ausschußmitglieder ihre Fraktionen, geschweige denn die Medien unterrichten, sie dürfen ausschließlich ihre Parteivorsitzenden darüber in Kenntnis setzen, welche Informationen sie vom Polizeilichen oder Militärischen Nachrichtendienst erhalten haben.
    Vuldoms Aufgabe war es wie üblich, den Sicherheitsausschuß der Regierung zu unterrichten, während Per Toftlund an diesem Mittwoch nachmittag den fünf Wachhunden des Kontrollausschusses gegenübersaß. Der Ausschuß bestand aus zwei Frauen und drei Männern. Daß das Treffen in Christiansborg stattfand, gefiel ihm überhaupt nicht. Obwohl er sich gründlichst vorbereitet hatte, war er nervös und haßte die Vorstellung, sein Wissen mit Zivilisten teilen zu müssen. Es war unüblich, daß der Polizeiliche Nachrichtendienst den Kontrollausschuß direkt informierte, aber Vuldom hatte sich entschlossen, eine Ausnahme zu machen. Er wußte nicht recht, warum, hatte aber den Eindruck, daß es Teil eines Machtkampfes um die Zukunft des PND war, es war ein politischer Kampf, aber auch ein internes bürokratisches Gezerre, weil große Veränderungen in Aussicht standen. Neue Strukturen. »Unverbrauchte« Chefs. Ganz offensichtlich wollte Vuldom sich mit dem Folketing gut stellen. Sie wollte sich als moderne Chefin profilieren, die wie andere europäische Geheimdienstchefs

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