Der Feind im Spiegel
schlechte Muslime bezeichnet, die in der Hölle schmoren würden.
»Und was heißt das nun für uns?« fragte Vuldom.
»Ich bin der Meinung, du solltest dem Justizminister empfehlen, dem britischen Gesuch auf Auslieferung Markos zu entsprechen. Die haben viel mehr gegen ihn vorliegen. Sie haben in seiner Wohnung in London Telefonnummern gefunden, die ihn mit Zellen in Spanien und Deutschland in Verbindung bringen. Und in seiner Moschee Anleitungen zum Bombenbasteln. Seine Fingerabdrücke sind auch drauf. Dito in der Wohnung, in der drei al-Qaida-Mitglieder wohnten, die die Briten verhaftet haben. Die wollen auch nicht aussagen, aber die Spur ist überdeutlich. Charlotte hat den Briten geholfen, vier Londoner Konten ausfindig zu machen, die nichts mit seinem Honigunternehmen zu tun haben. Es gibt Überweisungen nach Syrien und Jordanien. Und wieder mal Spanien. Und nach Italien.«
»Nach Italien? Was sagen denn deine neuen Freunde dazu?«
Toftlund überhörte den ironischen Unterton und antwortete ungerührt: »Ich habe am Donnerstag mit Oberstleutnant Cornelli gesprochen. Er ist sehr interessiert. Denn eine der Nummern, die von Markos englischem Handy aus geortet wurden, ist eine Nummer in Rom, die die Italiener in Verdacht haben, die Decknummer einer al-Qaida-Zelle in Italien zu sein.«
»Diese Art von Leichtsinn paßt eigentlich gar nicht zu Marko.«
»Nein, er ist auch nicht leichtsinnig, aber eben auch keine Maschine. Wenn Verbrecher nie einen Fehler begingen, würden wir sie nie packen.«
»Gut. Aber Marko ist dänischer Staatsbürger. Ihn auszuliefern ist ein verdammt heißes Eisen. Es ist beinahe rechtswidrig.«
»Und was ist mit der neuen Gesetzgebung?«
»Die macht die Sache leichter, aber die Medien werden es trotzdem aufbauschen, und dann fangen die Politiker an, mit den Zähnen zu klappern.«
»Aber wir können ihn nicht bis in alle Ewigkeit in Untersuchungshaft lassen.«
Vuldom trommelte mit ihrem Kugelschreiber auf den Tisch.
»Nein. Das geht wohl nicht. Ich werde mit dem Minister darüber reden.«
»Du kannst ja sagen, daß wir Mohammed Atlev ausliefern. Er ist britischer Staatsbürger.«
Vuldom sah ihn an und lächelte.
»Sehr elegant, Toftlund. Vielleicht kämst du doch ganz gut voran auf den politischen Fluren. Aber es ist doch eine falsche Identität. Ein falscher Name.«
»Was ist schon ein Name? Und wer war zuerst da? Marko oder Mohammed?«
»Ich rede mit dem Justizminister. Noch was?«
Toftlund hatte seinen Trumpf bis zuletzt aufbewahrt. Er beugte sich über den Tisch.
»Erinnerst du dich an das Gespräch, das Aischa im Frühjahr dechiffriert hat? Marko spricht auf arabisch mit einem Mann in Spanien, und der Mann wird stinksauer, weil Marko ihn Thronfolger nennt …?«
» Wali al-ahd. «
»Alle Achtung. Und der Thronfolger sagt etwas auf dänisch.«
»Ja, na und?« sagte sie ungeduldig.
»Der Thronfolger erklärt, man könne ein guter Muslim sein, obwohl man manchmal Handlungen begehen müsse, die dem Koran widersprechen, weil nämlich Allah dem vergibt, der reinen Herzens ist. Wir haben die ganze Zeit gedacht, sie sprächen von Marko. Über sein sozusagen unislamisches Doppelleben, das er leider Gottes als revolutionärer Maulwurf in Dänemark führen muß. Im Dienste der Sache. Geht ja nicht anders. Aber jetzt sind wir davon überzeugt, daß sie von einem Dritten reden.«
»Und wieso?«
»Cornelli und seine Leute haben natürlich die Wohnung durchsucht, in der die beiden Typen, die mich überfallen haben, wohnten. Sie liegt in einem heruntergekommenen Viertel am Hafen. Die beiden sind ordinäre Muschkoten, ganz klar, und Grips haben sie auch nicht. Sie haben falsche Pässe und französische Ausweise und ein Notizbuch unter den Dielen versteckt, in Plastik eingeschlagen, weil das Versteck unter der Wasseroberfläche lag. Darin standen ungefähr zwanzig Telefonnummern mit Landesvorwahl und allem Drum und Dran. Briten und Deutsche konnten neun der Nummern bekannten al-Qaida-Leuten zuordnen, die schon in Untersuchungshaft sitzen oder überwacht werden. Es gab auch zwei dänische Nummern. Die eine gehört zu einer Prepaid-Karte fürs Handy, die seit drei Jahren nicht mehr benutzt wurde, und die andere zum Mobiltelefon eines gewissen Mustafa Mussin, wohnhaft in Ishøj.«
»Seit wann weißt du das?«
»Zwei, drei Wochen.«
»Und warum hast du mich nicht früher darüber in Kenntnis gesetzt?«
»Ich wollte erst gründlich recherchieren. Du weißt doch, wie das
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