Der Feind im Spiegel
eliminieren den Zweifel. Das ist auch wieder wie bei den Kommunisten in alten Tagen. Wenn du Mitglied wirst, bekommst du eine neue Familie. Die Rhetorik ist äußerst gewalttätig, aber bislang haben sie bei uns noch keine Gewalt angewandt. Jedenfalls soweit wir wissen. Sie stehen unter Beobachtung. Sie haben das Gebetbuch hingelegt und das Schwert ergriffen, aber die Führer, die wir auf dem Kieker haben, haben noch kein Gesetz übertreten. Noch nicht. Aber wenn, dann sind sie dran. So, und jetzt darf ich vielleicht erfahren, warum ich dir etwas erzählen soll, was du alles schon längst weißt.«
»Weil du dasselbe am Mittwoch dem parlamentarischen Kontrollausschuß erzählen sollst. Deshalb.«
»Das ist doch dein Job. Ich gehöre zur kämpfenden Truppe. Ich bin kein Politiker.«
»Du brauchst nur ein bißchen netter und entgegenkommender und pädagogischer zu sein, wenn du den Politikern gegenüberstehst, dann klappt das schon.«
»Aber das ist dein Job, Vuldom.«
»Du sagst ihnen, daß wir alles genau beobachten. Daß Dänemark zur Zeit keine Terrorzellen hat, aber ein radikales Milieu, das sehr klein ist. Auf Probleme sozialer und kultureller Art gehst du nicht ein. Das ist Politik. Darüber kein Wort. Genausowenig über die operationellen Details. Aber du erklärst, wie sorgfältig wir in den letzten Monaten im Milieu ermittelt haben. Du wirst – wobei nachdrücklich auf die strenge Vertraulichkeit hingewiesen wird – als Leiter der Sondereinheit vorgestellt, die seit dem 11. September die islamistischen Kreise in Dänemark unter die Lupe nimmt.«
»Mensch, Vuldom!«
»Ja, so sieht’s aus. Und wenn du es gut machst, halten sich die Politiker ein paar Monate zurück, und das brauchen wir. Ich werde auch anwesend sein, aber du führst das Wort. Und jetzt laß uns schnell über das Operationelle reden, das den Kontrollausschuß nichts angeht. Das werde ich dann später dem Sicherheitsausschuß der Regierung vorlegen. Marko oder Mohammed Atlev. Wie weit sind wir da?«
»Augenblick, Vuldom. Darf ich jetzt auch mal? Wenn sich einen Tag, nachdem ich dem parlamentarischen Kontrollausschuß versichert habe, daß Dänemark kein Terrorziel ist, vor dem Folketing oder der Synagoge oder in einem Kaufhaus ein Selbstmordattentäter in die Luft sprengt, bitte, was dann?«
»Dann hast du ein Problem, Per Toftlund. Aber besteht denn die Gefahr?«
»Soweit ich weiß, nein.«
»Wo ist dann das Problem?«
Sie machte eine Pause, und als Toftlund seufzend schwieg, fragte sie: »Und Marko? Wie weit sind wir mit dem?«
Eigentlich hatte Toftlund eine Menge Fragen, aber es hatte keinen Zweck. Er wußte natürlich, daß es eine Falle sein konnte oder Vuldoms Art, sich dem politischen Apparat gegenüber abzusichern, aber andererseits war er ihr noch so einiges schuldig, also war es wohl nur recht und billig, daß er den Kopf hinhielt in der Hoffnung, daß er ihm nicht abgerissen würde.
Er erklärte ihr, wie weit sie mit Marko waren. Es war ein gewöhnlicher Polizeibericht, ohne diese politischen Fallgruben wie beim vorigen Thema, nicht weiter aufregend. Marko verweigerte die Aussage, berichtete Toftlund, und antwortete nur mit Zitaten aus dem Koran, den sie ihm auf arabisch in die Zelle gelegt hatten, das hatte man nun davon. Er war voll und ganz in die Identität Mohammed Atlevs geschlüpft. Wenn sie bei den Verhören den Namen Marko gebrauchten, wurde er richtig bockig und antwortete nicht einmal mehr mit Allahs Worten. Er betete fünfmal am Tag und brachte ansonsten seine Zeit mit Koranlektüre zu. Die Untersuchungshaft in Isolation war noch einmal verlängert worden, aber Toftlund war sich ziemlich sicher, daß der Richter ihn beim nächstenmal rauslassen würde, wenn sie nicht mit entscheidenden neuen Indizien oder einem substantiellen Beweis ankämen. Er wußte auch nicht, wie lange sein Verteidiger noch warten würde, bis er die Presse informierte. In bezug auf Suleiman und Söhnchen Bülent war Toftlund überzeugt, daß sie mit Terror nichts am Hut hatten. Gislev hatte die Spur verfolgt. Sie konnten wegen Steuerbetrugs in verschieden schweren Fällen und der Einfuhr von drei Lieferungen Haschisch belangt werden, aber die Sache gehörte in den Zuständigkeitsbereich der Kopenhagener Polizei. Es war ein ganz ordinärer Kriminalfall und hatte nichts mit der Sicherheit des Staates zu tun. Sowohl Suleiman als auch Bülent hatten jede Form von Terror strikt verurteilt und Leute mit terroristischen Absichten als
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