Der Feind im Spiegel
weißen Tafel auf und ab.
»Honig ist ein ebenso fester Bestandteil des nahöstlichen Lebens wie die Religion«, sagte sie. »Araber, Türken, aber auch Juden lieben süße Sachen. Deshalb findet man dort überall zahllose größere und kleinere Honigläden. Es gibt keinen Basar und kein Geschäftsviertel ohne einen Honighändler, von kleinen Buden bis hin zu großen, vornehmen Läden. Mit der feinste Honig wird im Jemen hergestellt, zu dem Osama bin Laden gute Kontakte unterhält. Er ist von reinster Qualität, sehr begehrt und teuer, so daß unter anderem auch von Dänemark Honig in großen Mengen eingeführt wird, um die Nachfrage zu befriedigen. Und die ist sehr groß, wie schon gesagt.«
»Weiß man, wie groß?« unterbrach JB sie.
»Ich habe die Zahl nicht im Kopf, aber ich weiß, daß jede saudiarabische Familie durchschnittlich ein Kilo Honig im Monat konsumiert. In anderen arabischen Ländern verhält es sich ähnlich. Damit habt ihr so ungefähr die Größenordnung. Es ist ein weitverzweigter Handel, bei dem die Rechnungen oft in bar bezahlt werden.«
Sie blieb stehen und verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen, als erwartete sie eine Frage. Dann fuhr sie fort.
»Al-Qaida wird allgemein als eine Organisation oder ein Netzwerk bezeichnet. Ich würde es eher eine Bewegung nennen. Oder eine Firma. Eine Terrorbewegung, aber auch ein Geschäftsunternehmen, das seine Aktivitäten finanzieren und große Geldbeträge hin und her schieben muß. Und wie allen Unternehmen ist auch al-Qaida daran gelegen, möglichst effektiv zu sein und die Unkosten zu senken. Und dafür benutzt es, glaube ich, ein anderes uraltes Banksystem. Hundi oder hawala, wie wir es auf arabisch nennen.«
Sie schrieb die beiden unbekannten Begriffe an die Tafel und notierte im Laufe des Vortrags weitere Stichwörter. Sie sprach ohne jeglichen Akzent, trocken und undramatisch wie jeder andere dänische Durchschnittsredner. Wenn ihr Aussehen nicht wäre, das man in den operativen Kreisen des PND eben nicht gewohnt war, wäre das alles nichts Besonderes, dachte Per. Das Schöne an einem Vortrag war, daß man den Redner betrachten konnte, ohne daß es peinlich wirkte. Ihre Bewegungen waren zurückhaltend, aber grazil, und sie hatte die Angewohnheit, sich ans rechte Ohrläppchen zu fassen, wenn sie nach einem Wort suchte.
»Hawala ist eine Form des Geldtransfers«, sagte sie, »Es ist oft ein Einmannbetrieb. Hawala-Händler gibt es im ganzen Nahen Osten, aber auch in den Ländern, in die Leute aus dem Orient oder beispielsweise aus Pakistan eingewandert sind. Es gibt auch größere Hawala-Organisationen. Besonders in den USA mit ihren unzähligen Immigranten aus der ganzen Welt. Eine der ganz großen ist Barakaat. «
Sie schrieb das Wort an die Tafel. Ihre Handschrift war gefällig und etwas seitlich geneigt, was vielleicht noch aus ihrer Schulzeit stammte.
»Eine andere ist el-Taqua. Sie vermittelt das Geld von Einwanderern in deren Heimatländer. Und zwar sowohl kleine Beträge als auch große Summen. Viele Einwanderer ziehen das Hawala-System den Banken vor, weil es schnell und billig ist und ohne Papierkram funktioniert, und, wie so vieles andere in meiner Kultur, weil man es eben schon immer so gemacht hat. Ein Terrornetzwerk wird ein solches System natürlich vor allem deswegen benutzen, weil die Transaktionen keine elektronischen Spuren hinterlassen – die ja für eure Arbeit so wichtig sind, wie mir in den letzten Tagen klargeworden ist.«
Sie machte eine Pause. Das kleine Wörtchen »eure« hatte Toftlund sehr wohl bemerkt. Noch war es nicht »unsere« Arbeit. Sie fühlte sich noch nicht als Teil der Gruppe. Sie hatte auch ihre Probleme damit, daß die anderen mit ihren Dienstpistolen mit der gleichen Selbstverständlichkeit herumspazierten, wie sie sich eine Jacke anzogen, wenn sie die Villa verließen. Von seinem Platz aus fragte er sie: »Du hast vorhin auch etwas von hundi gesagt. Ist das etwas anderes als« – Per schaute auf das Wort an der Tafel – » hawala? «
»Nein, es ist nur ein anderes Wort für die gleiche Sache: ein uraltes System, das schon lange vor den Banken existierte. Hawala ist arabisch und bedeutet Veränderung oder Transformation. Hundi stammt aus dem Sanskrit. Ursprünglich bedeutete es Bankmann oder Finanzmakler. Ein Hawala-Händler heißt Hawaladar. Ein Hundi-Händler heißt Hundiwala. Im Grunde stammt das ganze System vom indischen Subkontinent.«
»Und warum benutzt man es? Und nicht
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