Der Feind im Spiegel
an der Nordsee genug nachgedacht hatte, müßten sie ihre Probleme am Telefon besprechen. Er wollte Freya sehen, klar, aber er hörte schon wieder Lises spitze Bemerkung, er habe sich sowieso kaum um sie gekümmert, da dürften ihm ein paar Wochen der Trennung doch wohl nichts ausmachen.
Es klopfte an der Tür. Es war Aischa. Sie lächelte.
»Hej, Peter. Schöne Ostern gehabt?«
»Keine Ahnung, echt nicht. Feiert ihr das auch?«
»Ich bin doch Dänin, oder? Darf ich reinkommen?«
»Ja, sicher. Setz dich!«
Sie setzte sich. Sie trug einen Rock und blaue Strumpfhosen, die zu ihrem Pulli paßten. Sie wirkte entspannt und ausgeruht. Aischa und Bjerregaard waren vielleicht nicht gerade Busenfreunde geworden, aber sie arbeiteten gut zusammen und hatten eine Menge neuer islamischer Organisationen erfaßt, die der PND im Auge behalten wollte. Bjerregaard war Profi genug, um den Unterschied zwischen Islam und Islamismus schnell zu begreifen. Ersteres war eine Religion. Das zweite eine politische Bewegung mit kleinen Zellen, die gefährlich werden und sich mit der Zeit vergrößern konnten. Toftlunds Kanakenbande hatte ihre Pflicht getan. Die erste Euphorie war vorüber. Jetzt war es gewöhnliche Polizeiarbeit. Das routinemäßige Sammeln von Informationen. Das unumgängliche Abhören und das Schreiben von Berichten für Vuldom und den übrigen Apparat, damit man sich ein möglichst exaktes Bild von der Bedrohung machen konnte. Noch hatten sie nichts gefunden, weder allgemeine Vorbereitungen noch konkrete Pläne für terroristische Aktionen auf dänischem Boden.
Aischa beugte sich vor. Sie hatte eine Mappe und ein Aufnahmegerät mitgebracht.
»Operation Pu der Bär«, sagte sie.
Er lächelte. Der Kodename für Marko war anfangs ganz lustig gewesen, mittlerweile fand er ihn albern.
»Ja, Aischa.«
»Während ihr die Osterfeiertage genossen habt …«
»Oder auch nicht …«
»… habe ich mir das Material zu Marko angesehen. Und da gibt es etwas, das ich nicht verstehe und mit dir erörtern möchte. Hast du Zeit?«
»Schieß los!«
Sie stellte das Tonbandgerät auf den Schreibtisch und öffnete die Mappe. Zuoberst lagen einige handgeschriebene Notizen. Darunter konnte er ein paar ausgedruckte Seiten und Schwarzweißfotos erkennen. Sie hatte feine, bedächtige, sehr feminine Bewegungen. Ihre Finger waren lang und schmal, der rote Lack paßte überaus gut zu ihrer dunklen Haut. Die Männer, mit denen sie zusammengewesen war, konnten sich glücklich schätzen, dachte er und schämte sich ein wenig, daß er so viel über sie wußte, ohne daß sie es ahnte. Er wußte über ihr Leben Bescheid, jedenfalls bis zum Tag ihrer Anwerbung. Sie hatte drei Jahre lang mit einem Kommilitonen zusammengelebt, aber er hatte keine Ahnung, ob sie im Augenblick einen festen Freund hatte. Aber eigentlich ging ihn das auch einen feuchten Kehricht an. Sie duftete leicht würzig. Er fand ihr Parfüm jetzt überhaupt nicht mehr zu stark.
Aischa räusperte sich, und er versuchte sich zu sammeln.
»Ich fange am besten vorne an, damit ich mich nicht verzettele«, sagte sie. »Wir überwachen Marko Cemal. Und zwar schon seit längerer Zeit. Neben anderen natürlich. Beispielsweise unserem Freund Bülent Erkaban und dessen Vater Suleiman. Das Interessante ist, daß Marko erwiesenermaßen ein Doppelleben führt. Auf der einen Seite ist er der erfolgreiche Honighändler, der auch Hawala-Geschäfte macht. Alles legal. Er zahlt seine Steuern korrekt und führt die Mehrwertsteuer ab. Dann sieht er so aus.«
Sie reichte ihm ein Foto. Es zeigte einen gepflegten Mann Anfang Dreißig in einem konservativen, aber eleganten dunklen Anzug. Kurze Haare, hohe Stirn, aufrechte Haltung. Seine Augen waren zusammengekniffen, als ob er spürte, daß er im Visier einer versteckten Kamera war.
»Das wurde neulich auf dem Flughafen Kastrup aufgenommen. Marko auf Geschäftsreise nach London.« Sie reichte ihm ein anderes Bild. Marko im hellen Polohemd an einem Gartentisch. Die Sonne scheint. Auf dem Tisch Bier und eine Flasche Schnaps. Am Tisch sitzt auch noch ein älterer Mann, dem Marko ähnlich sieht. Mit dabei auch eine ältere Frau, deren Gesichtszüge man allerdings nicht erkennen kann. Die Aufnahme wurde mit dem Tele gemacht, ziemlich grobkörnig, aber deutlich genug. Aischa sagte: »Das ist im Schrebergarten des Vaters, jetzt zu Ostern. Waren ja richtig schöne Tage.«
»Was macht der Gerstensaft auf dem Tisch? Ich denke, er ist Muslim.«
»Bosnischer
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