Der Feind im Spiegel
ist in der Türkei, sagt seine Frau, die ansonsten kein Wort Dänisch kann. Aber wir wissen, daß Suleiman und sein Sohn die Miete jeden Monat cash zahlen, und zwar an einen Typen, der eine ganze Reihe von Garagen und Schuppen in der Ecke verwaltet.«
»Und wer ist das?«
»Ein Däne. Alter Bekannter. Ein paar Betrügereien mit Einzimmerapartments, Garagen und Postfächern. Kleine Hehlereien. Kein großer Fisch. Er verdient sich damit ein bißchen Geld für sein tägliches Bier. Stammgast im Knast. Du kennst die Typen doch, Per. Ich will damit sagen, du fischst im falschen Gewässer. Marko hat mit dem Haschhandel nichts zu tun. Ich weiß, das ärgert dich, weil wir so viel Kraft und so viel Zeit darauf verwendet haben, aber ich glaube, daß sie einfach nur alte Freunde sind.«
Toftlund dachte nach. Er merkte, daß Skovgård irgend etwas wurmte. »Was ist los, Skovgård?«
»Ich finde es unmöglich, daß wir sie nicht aus dem Verkehr ziehen. Suleiman und Sohn stecken tief im Drogenhandel. Sie sehen sich nicht mal besonders vor. Ich bin mir sicher, daß wir sie beide in Untersuchungshaft nehmen könnten. Ich verstehe nicht, warum wir das Material nicht den Kollegen im Präsidium übergeben. Es sind immerhin zwei mittelgroße Fische.«
»Manchmal muß man eben das eine Verbrechen übersehen, wenn man dadurch ein größeres aufklären kann. Das weißt du doch selber.«
»Trotzdem.«
Toftlund überlegte und sagte dann: »Ich gehe gleich zu Vuldom. Mal sehen, was sie sagt, aber ich werde ihr vorschlagen, daß wir die beiden festnehmen lassen. Für einen Durchsuchungsbefehl für ihre Wohnungen und den Kiosk und die Garage haben wir auf jeden Fall genug Belastungsmaterial. Wenn wir sie dann hoffentlich in U-Haft genommen haben, laden wir Marko vor.«
»Per, Marko hat damit nichts zu tun.«
»Das wissen du und ich, aber Marko weiß nicht, daß wir es wissen.«
»Das heißt, du willst ihn nur ein bißchen am Kragen packen und schütteln?«
»Ich will ihn so sehr schütteln, daß er uns erzählt, wer der Dänisch sprechende Thronfolger im al-Qaida-Netzwerk ist. Es gibt spanische, britische, französische, deutsche und nun auch dänische Verbindungen. Was wir jetzt haben, könnte das Wichtigste sein, was bislang überhaupt herausgefunden wurde. Also, keine Widerrede. Ich werde den lieben kleinen Marko in die Zange nehmen, und zwar ordentlich!«
*
Vuldom gab ihm grünes Licht. Sie rauchte eine Zigarette, die Luft in ihrem Arbeitszimmer war zum Schneiden, und der Aschenbecher verriet ihm, daß sie ihrer Lunge tatsächlich keine Pause gönnte. Auf ihrem Schreibtisch lagen eher ungewöhnliche Unterlagen. Bau- und Einrichtungspläne für die neue PND-Zentrale. Vor dem Fenster trieben weiße Wolken über einen blauen Himmel, und Per erinnerte sich sogleich daran, wie er seine Lederjacke aufgeknöpft hatte, weil Frühling in der Luft lag. Einen kurzen Moment lang hatte er sich beinahe glücklich gefühlt, bis ihm das leere Haus einfiel, das ihn erwartete. Vuldom wirkte müde, gestreßt und verstimmt, als hätte sie sich eine Frühjahrsgrippe eingefangen. Es fehlte das Feuer in ihren Augen. Es war zuletzt aber auch wirklich eine harte Zeit gewesen. Zuerst die Panik wegen dieses tödlichen weißen Pulvers, das per Post in der Weltgeschichte herumgeschickt worden war. Sie hatte auf alle Anrufe reagieren müssen. Durfte kein Risiko eingehen. Die Drohungen waren falscher Alarm, hätten aber durchaus wahr sein können. Dann wäre sie in die Schußlinie geraten. Der PND pennt unter ihrer Führung, hatte die Presse in ihren Reportagen über die Verbindungen zwischen Osama bin Laden und Dänemark geschrieben. Die Politiker zogen nach. Lautstark wurden Untersuchungen gefordert. Und zuletzt dann der Skandal mit dem irakischen Heereschef, den man im Land geduldet hatte. Das könnte der Tropfen sein, der das Faß zum Überlaufen bringt, dachte Toftlund. Man konnte ihr wirklich nicht vorwerfen, daß sie müde und gestreßt aussah. Erst als er ihr von dem mysteriösen dänischsprachigen Thronfolger berichtete, leuchteten ihre Augen auf. Sie hatte das gleiche Jägertemperament wie er. Sie lehnte sich zurück und sagte: »Ausgezeichnet, Per. Und Bjerregaard hat ebenfalls ein ordentliches Schulterklopfen verdient. Gestern habe ich seinen letzten Bericht bekommen. Seine Bestandsaufnahme der extremistischen Gruppen im Lande ist vorbildliche Nachrichtenarbeit. Ihr seid eine gute Gruppe.«
»Ohne große Ergebnisse.«
»Die sind selten
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