Der Feind im Spiegel
Zähler und drückte auf Start. Man hörte dieselben Stimmen und dann ein paar leise gesprochene Worte im Hintergrund. Aischa spulte zurück und spielte die Sequenz noch einmal ab. Jetzt hörte er es auch. Es klang, als hielte der Mann, mit dem Marko telefonierte, den Hörer vom Mund weg und sagte: »Ich hab zu tun. Mach die Tür zu.« Und er sagte es auf dänisch.
»Darf nicht wahr sein«, sagte Toftlund.
»Ist aber wahr. Der Thronfolger spricht Dänisch. Wer ist das?«
»Wissen die Briten, von wo aus er angerufen wurde?«
»Ich habe mir schon gedacht, daß du das wissen willst, und habe sie gefragt, ob sie es rauskriegen können. Das Gespräch verlief zwischen der Telefonzelle und einem Handy über einen Sendemast in der spanischen Stadt Cuenca. Es ist ein Handy mit Prepaidkarte. Die SIM-Karte ist nur dieses eine Mal benutzt worden, sagen sie. Keine Ahnung, woher sie das wissen.«
»Von der spanischen Telefongesellschaft. Handys sind ganz leicht zu orten und abzuhören. Deshalb benutzt der Thronfolger immer neue SIM-Karten. Er verwendet sie nur ein einziges Mal und wirft sie dann weg.«
»Okay«, sagte sie und wartete. Sie sah stolz aus.
»Ich muß schon sagen«, meinte Toftlund. »Was haben wir denn da? Eine al-Qaida-Zelle in Kopenhagen. Vielleicht schläft sie noch, aber irgend etwas ist offensichtlich im Gange.«
»Wir können das nicht beweisen, aber etwas deutet darauf hin, wenn man sich überlegt, wie sie sonst operieren und daß sie dabei immer langfristig denken.«
»Vielleicht wäre es an der Zeit, Marko zu einem kleinen Gespräch einzuladen.«
»Skovgård und Bjerregaard glauben nicht, daß unser Material für eine Vorladung reicht.«
»So, so. Aber deshalb können wir doch mit ihm reden.«
»Skovgård meint, es sei vielleicht noch zu früh, ihm zu zeigen, daß wir uns für ihn interessieren.«
»So, tatsächlich?«
»Ja, und er hat ja Erfahrung. Aber ich glaube, wir können Marko auf andere Weise packen. Über seinen Freund, den Türken Bülent Erkaban. Wir können Marko zu einem Gespräch laden, ohne daß er merkt, daß er es ist, für den wir uns interessieren.«
»Ist Skovgård da?«
»Er sitzt im Gemeinschaftsraum und wartet.«
» Vamos chica. Klasse Arbeit. Ich habe glatt vergessen, daß ich einen Kater habe.«
Skovgård saß an einem Computer, wie immer in Jackett und dunkler Hose. Er loggte sich aus, stand auf und setzte sich mit Toftlund und Aischa an den Konferenztisch.
»Was hast du über Bülent?« fragte Toftlund.
Sie hatten Bülent beschattet und abgehört, seit Skovgård den Tip aus dem Rockermilieu bekommen hatte, aber offenbar hatte die Ermittlung nicht so viel ergeben, daß man es für nötig befunden hätte, Toftlund regelmäßig zu unterrichten. Es war einer der vielen losen Fäden, die sie in der Hoffnung auf einen Durchbruch verfolgten. Jede Ermittlung war so: eine Mischung aus geduldiger Routinearbeit und dann und wann einem Quentchen Glück.
Skovgård fummelte an einer Büroklammer herum. Seine Pfeife fehlte ihm, aber im Gemeinschaftsraum durfte er nicht rauchen.
»Die Rocker hatten und haben recht«, sagte er mit seiner trockenen, leisen Stimme. »Sowohl Vater Suleiman als auch Sohnemann Bülent sind am Haschschmuggel nach Dänemark und weiter nach Norwegen beteiligt. Vielleicht handelt es sich nicht um die Quantität, von der die Rocker fabulieren, aber der Umfang ist doch beträchtlich. Meine Quellen sagen, der Sohn habe selbst einmal eine Lieferung mit dem Boot nach Falster gebracht, aber heute ist er eher der Finanzmann. Angeblich will er sich auf das Opium- und Heroingeschäft stürzen. Nach der Niederlage der Taliban rechnet das Milieu mit einer steigenden Opiumproduktion, und er hat Verbindungen zu den türkischsprachigen Minderheiten im nördlichen Afghanistan. Womöglich wird die alte Route quer durch Rußland wiederbelebt. Wir könnten sie jetzt packen. Gestern hat mir einer meiner Informanten gesagt, daß in einer Garage im Südhafen eine Lieferung Haschisch lagert. Die Garage ist von irgendeiner GmbH gemietet, aber sie gehört eigentlich den Herren Erkaban. Bestimmt werden überall ihre Fingerabdrücke zu finden sein.«
»Und was hat Marko damit zu tun?«
»Marko hat nichts damit zu tun, glaube ich. Sie sind alte Klassenkameraden und Freunde. Ich weiß nicht, ob sie jeweils wissen, was der andere eigentlich so treibt.«
»Wem gehört die GmbH offiziell, die die Garage mietet?«
»Irgendeiner Teppichfirma. Wir finden den Eigentümer nicht. Er
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