Der Feind im Spiegel
begleitete ihn zur Tür und gab ihm die Hand.
»Grüß deine süße Frau.«
»Werde ich tun.«
»Wenn du sie siehst.«
»Was willst du damit sagen?«
»Du weißt schon, was ich damit meine. Darf ich dir einen Rat geben?«
»Du tust es doch so oder so, auch wenn ich nein sage.«
»Es ist sehr einfach. Überleg doch mal. Du hast nur ein Leben.«
Er ließ ihre Hand los.
»Du bist vielleicht gut, Vuldom. Deshalb hast du mir deine Geschichte anvertraut. Du meinst, ich sollte mich auch nach etwas anderem umschauen.«
»Ich denke immer an das Wohl und Wehe der mir anvertrauten Mitarbeiter. Auf Wiedersehen, Per.«
»Du kannst mich mal, Vuldom.«
»Immer so zuvorkommend, unser Toftlund«, sagte sie mit einem Lächeln und schloß die Tür hinter ihm.
12
Per war verblüfft. Aischa bestellte ein Glas Wein.
»Ich dachte, du bist Muslimin«, sagte Toftlund. »Am ersten Tag hast du zu Bjerregaard gesagt, daß …«
»Ich weiß, aber das war eine andere Situation. Ich bin auch Muslimin, aber nicht so richtig. Ich bin das, was meine Feinde in meiner Kultur eine Kokosnuß nennen. Außen braun, innen weiß.«
Er lachte.
»Na, denn Prost! Vielleicht sollten wir Schweinebraten bestellen.«
Jetzt lachte sie. Sie hatte ein helles, beinahe mädchenhaftes Lachen.
»Na, ich jedenfalls nicht. Schwein kann ich einfach nicht essen. Das sitzt zu tief. Das wird uns von Geburt an eingetrichtert. Das ist bäh. Nijis. ›Unrein‹ im Arabischen. Als würde man in Rattenfleisch beißen. Mit Hunden ist es ganz ähnlich. Ich kann das Verhältnis der Dänen zu ihren Hunden nicht verstehen. Daß sie sie streicheln und in ihren Häusern halten. In der Kultur, aus der ich komme, ist das einfach unappetitlich.«
»Wie bei den Grönländern.«
»Den Grönländern? Die fahren doch Hundeschlitten. Angeblich gibt’s da mehr Hunde als Menschen.«
»Stimmt. Die Grönländer lieben ihre Hunde, weil sie von ihnen abhängig sind, aber in ihren Häusern wollen sie sie nicht haben. Sie finden das widerlich, und sie können überhaupt nicht begreifen, wie die Dänen sie ins Haus und manchmal sogar in ihr Bett lassen können.«
»Ich auch nicht. Warst du schon mal in Grönland?«
»Schon oft. Als junger Mann. Ich war bei den Kampftauchern. In Grönland haben wir den Winterkrieg geübt. – Und was nimmst du?«
Es war eine spontane Eingebung gewesen, als er von einer strategischen Besprechung im Polizeipräsidium zurückgekommen war. Aischa hatte in ihrem Büro am Computer gesessen, da hatte er sie gefragt, ob sie mit ihm essen gehen wolle. Er sei allein zu Hause und habe keine Lust, für sich zu kochen. Zu seiner Überraschung hatte sie ja gesagt, und nun saßen sie in einem zur Zeit sehr angesagten Lokal an einem weiß gedeckten Tisch mit zwei Gläsern Rotwein vor sich und waren von jüngeren Menschen in Designerklamotten umzingelt, die sich über irgendwelche Fernsehberühmtheiten unterhielten.
Aischa lehnte sich über den Tisch. »Also in Grönland warst du auch. Du weißt eine Menge über mich, weil du mein Dossier gelesen hast. Aber ich weiß gar nichts über dich. Wo kommst du eigentlich her?«
»Aus Tondern.«
»Und was macht dein Vater?«
»Er ist pensioniert. Ursprünglich hat er in einer Bank gearbeitet, meine Mutter war Krankenschwester. Dann haben sie lange Jahre einen Campingplatz geführt. Jetzt spielen sie Golf.«
»Und?«
»Was, und?«
»Na, und du? Warum bist du Polizist geworden? Statt was Anständiges zu lernen.«
»Wie bitte?«
»Wie ich. Eine akademische Ausbildung zu machen. Jura zum Beispiel.«
»Wir können doch nicht alle zur Uni gehen. Einer muß auch fürs Grobe zuständig sein.«
Sie lächelte wieder. Das konnte sie gut. Sie brach sich ein Stück Brot ab und fragte, ehe sie es in den Mund steckte: »Hast du Abi gemacht?«
»Klar hab ich Abi gemacht. Ist das hier ein Verhör oder was? Spar dir deine Talente für Pu den Bären auf.«
»Ich versuche nur, die Unterhaltung in Gang zu halten. Sei doch nicht so empfindlich.«
»Frauen sind einfach immer so neugierig.«
Sie brach sich noch ein Stück Brot ab.
»Das ist ungerecht. Du weißt jede Menge von mir. Ich weiß nichts von dir.«
»Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Nach dem Abitur wußte ich nicht, was ich wollte. Da habe ich erst einmal meinen Wehrdienst gemacht. Ich mochte das Militär. Es war was Handfestes. Anforderungen und Ziele waren klar. Ich habe mich bei den Kampftauchern gemeldet. Es war hart, aber vielleicht die beste Zeit meines
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