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Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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›dänisch‹ sagt, denke ich an Kaffee und Frühstück in New York. Du kannst ja Dänisch. Bist du Däne? Ursprünglich, meine ich.«
    »Ich bin in Dänemark geboren. Ich bin in Dänemark aufgewachsen. Ich war mal dänischer Staatsbürger, aber meine Eltern waren Jugoslawen. Serben.«
    »Und was ist mit ihnen passiert?«
    Vuk dachte daran, daß Mike bei den Verhören nicht dabei war. Er wußte nicht viel.
    »Sie starben während der Kriege in den neunziger Jahren in dem Land, das einst Jugoslawien hieß.«
    »Das tut mir leid. Sind die auch nicht in die Kirche gegangen? Bist du nicht getauft?«
    »Doch. Meine Mutter ging in die Kirche. Mein Vater war Sozialist. Titoist.«
    »Was ist das denn?«
    »Das ist eine lange Geschichte. Und es ist auch egal. Es hat heute keine Bedeutung mehr. Meinst du nicht, wir sollten langsam nach Hause kommen?«
    »War es schön in Dänemark?«
    »Ja, es war schön. Es war eine wunderbare Zeit.«
    »Wie hast du die Kriege überstanden?«
    »Meine Eltern sind in ihr altes Land zurückgezogen. Und ich wurde einberufen. Ich habe meine jugoslawische Staatsbürgerschaft nie verloren. Ich war erst neunzehn.«
    »Das heißt, du warst Soldat?«
    »Ja.«
    »Du warst kein Terrorist?«
    »Ich war Soldat, Mike.«
    Mike legte sich ins Gras und faltete die Hände im Nacken. Er seufzte.
    »Freut mich zu hören, Mann. Du hast getötet. Das weiß ich. Aber du warst Soldat. Soldaten töten. Amerikanische Soldaten töten in diesem Augenblick in Afghanistan. Ich bin dafür trainiert worden, zu schießen und zu töten. Es war noch nie nötig, aber ich werde es tun, wenn die Pflicht es erfordert. Du warst Soldat. Freut mich zu hören, Mann.«
    »Das hat heute keine Bedeutung mehr.«
    »Doch, hat es, Mann. Ich habe eben für dich da drinnen gebetet. Ich habe Gott gedankt, daß er dich erschaffen hat, so daß du mein Leben retten konntest. Ich habe für dein Seelenheil gebetet und für die Vergebung deiner Sünden. Ich habe Gott für Katie und Mary-Lou und Jodie gedankt und dafür, daß er dich als Werkzeug benutzt hat, um meinen schwarzen Arsch zu retten.«
    »Gott war nicht dabei, Mike«, sagte Vuk. Der Kinderglaube der Amerikaner an Gott erstaunte ihn immer wieder. Sie sprachen vom Herrn, als wohnte Er irgendwo in den USA, die Er höchstpersönlich unter allen Nationen auserwählt hatte und über die Er ganz besonders seine schützende Hand hielt.
    »Gott ist immer dabei.«
    »Warum glaubst du das?«
    »Weil es so ist. Ich bin so erzogen, Mann. Meine Eltern waren Baptisten. Meine Großeltern waren auch Christen. Katie ist Baptistin. Unsere Kinder sind getauft. Wir gehen jeden Sonntag in die Kirche. Das ist genauso selbstverständlich wie amerikanischer Apfelkuchen. Ich glaube an Gott und Vaterland. So ist es halt.«
    »Ist klar.«
    Mike sah ihn an.
    »Warum glaubst du nicht an Gott?«
    »Weil die Menschen Gott benutzen, um unbegreifliche Verbrechen zu begehen. Schwert und Gebetbuch sind wie Erde und Wasser. Das eine ist ohne das andere nicht vorstellbar.«
    »Das sind nur muslimische Fanatiker.«
    »Die Muslime glauben an denselben Gott wie die Christen.«
    »Es sind Fanatiker, Mann. Ich kenne viele schwarze Brüder, die Muslime sind, aber sie sind in erster Linie Amerikaner. Du darfst sie nicht mit den Schweinen in einen Topf werfen, die am 11. September Amerika angegriffen haben.«
    »Was ist mit den Christen in den USA? Abtreibungsärzte werden niedergeschossen. Deine Vorfahren wurden in Gottes Namen gelyncht. In Europa verbrannte man im Mittelalter Leute auf dem Scheiterhaufen, weil sie sich gegen den Aberglauben gewehrt haben, den die Pfarrer verbreiteten. In Jugoslawien haben sich beide Seiten auf Gott oder Allah berufen, um ihre viehischen Taten zu rechtfertigen. Du kannst mich jagen mit deiner Religion. Gott ist schon lange tot.«
    »Das sind unwissende Menschen, Mann. Das ist nicht Gott. Vielleicht wird Er ihnen vergeben. Aber ich hoffe, sie werden in der Hölle schmoren bis in alle Ewigkeit.«
    Vuk stand auf.
    »Du mußt es ja wissen, Mike.«
    »Hilf mir auf die Beine, Mann.«
    Vuk reichte ihm die Hand und zog ihn hoch. Sie standen sich einen Moment gegenüber, dann breitete Mike die Arme aus und drückte Vuk fest an sich. Vuk konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt einen Mann in aller Freundschaft umarmt hatte. Mike schlug ihm auf die Schulter.
    »Danke, mein Junge. Vielen Dank. Du hast mir das Leben gerettet. Sie sagen, du wärst ein Killer, aber du bist auch mein Freund. Egal, was sie

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