Der Feind im Spiegel
Problem. Ist es wirklich ein Problem?«
»Nein.«
»Du wirst da drüben total allein agieren. Ist dir das klar?«
»Ja.«
»Weißt du, was mir Sorgen macht?«
»Nein.«
»Daß wir in der CIA dabei sind, eine Entschuldigung für einen Krieg zu basteln. Eigentlich brauchen wir gar keinen. Wir könnten Saddam einfach aus dem Verkehr ziehen, aber die Politiker wollen Krieg. Und die Firma ist unter Druck, sie soll die Munition beschaffen. Verstehst du mich eigentlich?«
»Nein.«
»Nicht? Es geht um die Ehre! Ich bin ein altmodischer Mensch. Es geht um die Ehre. Hast du Ehre im Leib, John?«
»Nein.«
»Nein. Du tust also einfach, was du tun sollst?«
»Ja. Und könnten wir jetzt wieder zur Sache kommen?«
Vuk konnte solche Anwandlungen bei seinen Führungsoffizieren wirklich nicht gebrauchen. Sie durften nicht anfangen zu zweifeln. Er vermißte den kühlen Überblick des Obersten und seine bedingungslose Konzentration auf das Ziel. Alles andere war gleichgültig. Vielleicht sollte Marker ihn auch aufs Glatteis führen, ihm eine Falle stellen. Ihm fiel auf, daß sich der CIA-Mann in letzter Zeit verändert hatte. Als wäre er mit einem Geheimnis konfrontiert worden, von dem er am liebsten nichts gewußt hätte. Und plötzlich erinnerte sich Vuk an Bruchstücke einer Diskussion oder fast schon einer Meinungsverschiedenheit zwischen Marker und dem Obersten, die er auf dem Flur mitbekommen hatte. Phil hatte gesagt: »Eure Gruppe ist vielleicht verfassungswidrig, aber auf jeden Fall ist sie ein riesiger Scheiß. Wir müssen die Wahrheit sagen, nicht das, was die Machthaber als Wahrheit ausgeben.« Der Oberst hatte ihn gebeten, sich wie ein Erwachsener zu benehmen und zu begreifen, daß die CIA kaum etwas anderes mache könne als einen Haufen bullshit. Es war riskant, solche Dinge zu belauschen. Es konnte eine Falle sein. Er wollte nicht in sie hineintappen und sah dem CIA-Mann offen in die Augen. Marker betrachtete ihn eine Weile und sagte dann: »Cooler Typ, John. Cooler Typ. Da ist es ja gut, daß ich Hilfe bekommen habe, so daß ich dir auch helfen kann.«
Phil Marker drückte die Zigarette auf dem Geländer aus und verstaute die Kippe in seiner Hosentasche. Einen Moment lang umgab sie noch der Zigarettenrauch, dann wurde er von der Meeresbrise weggeweht, und fast schien es, als hätte die Brise auch Phil Markers Stimmungswechsel mit sich genommen. Er fand zu seiner Ruhe und Professionalität zurück, trat ins Zimmer, schloß die Flügeltüren bis auf einen Spalt, setzte sich an den Tisch, schaute in seine Papiere und sah Vuk an. Vuk war sich nicht sicher, ob dieser Blick verdammend oder mitfühlend war. Der hochgewachsene Amerikaner zuckte die Schultern, rutschte auf dem Stuhl hin und her und sagte dann: »Na, das ist nicht mein Problem. Der Oberst hat’s leichter. Er zweifelt nie. Der Zweck heiligt die Mittel, wie mein alter Vater schon in der Sonntagsschule gesagt hat. Also, ich habe hier etwas über eine spanisch-dänische Verbindung, die ungemein interessant ist und bei der du auch ins Bild kommst, mein Freund.«
Es war ungefähr die gleiche Geschichte, wie man sie aus den anderen Städten kannte. Es handelte sich um eine vierköpfige Zelle in Madrid, die Jahre gebraucht hatte, um sich zu etablieren. In der Nachbarschaft waren sie als ganz normale Mitbürger bekannt. Einer war in einem Baumpflanzungsprojekt aktiv. Ein anderer fuhr wie jeder x-beliebige Vater seine Kinder in die Schule. Er hatte sechs. Einer war aus Marokko eingewandert, zwei andere hatten palästinensische Eltern, waren aber in Spanien geboren, und der vierte war ein zum Islam übergetretener Spanier. Der spanische Sicherheitsdienst wurde auf sie aufmerksam, weil sie im Verdacht standen, Freiwillige für den heiligen Krieg in Bosnien zu rekrutieren. Es wurde eine großangelegte Abhöraktion in Gang gesetzt, wobei sich herausstellte, daß die Gruppe ganz besonders rührig war und sogar die Telefonnummer von Mohammed Attas Wohnung besaß. Die Zelle war schon 1994 gegründet worden und nahm eine Schlüsselstellung innerhalb des europäischen Netzwerks ein. Sie wurden alle vier inhaftiert, erklärten sich aber in sämtlichen Anklagepunkten für nicht schuldig.
»Eine Stadt«, sagte Phil Marker, »mit der sie oft kommuniziert haben, war Kopenhagen. Und ich bin gerade von einem interessanten Treffen, unter anderem mit dänischen Kollegen, zurück, bei dem es um die spanisch-dänische Verbindung ging und um eine Nuß, die nicht leicht zu
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