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Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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ich kann frei mit Ihnen reden.«
    »Wer sagt das?«
    »Kompetente Stellen.«
    »Die Ihnen auch verraten haben, daß ich Deutsch kann?«
    »Ihre Mutter war doch ein Deutschenflittchen, oder?«
    In Toftlunds Innerem explodierten der alte Schmerz und die alte Wut. Was bildete der sich eigentlich ein, dieser alte Affe? Deutschenflittchen? Per wußte genau, daß er eigentlich Feldmatratze meinte. Dieses verhaßte Wort, das wie ein Schatten über seiner Kindheit gehangen hatte. Daß der Krieg längst vorbei war, hatten ziemlich viele Leute im Süden Jütlands bis heute noch nicht mitbekommen.
    Es war schon richtig, wie der Professor meinte, daß Deutsch die schöne Sprache Goethes und Schillers war, und für Toftlund würde das Deutsch, das seine Mutter ihm als kleinem Kind vorgesungen hatte, immer ein Ausdruck der Geborgenheit bleiben, aber Deutsch war auch eine sehr souveräne Sprache, wenn es darum ging, Wut zu äußern und einen Kommandoton anzunehmen, der mit Sentimentalität nichts mehr zu tun hatte.
    Toftlund antwortete auf deutsch und hob dabei die Stimme mehr, als er eigentlich wollte, aber er war wirklich sauer.
    »Nein. Sie war kein Flittchen, und sie war keine Frau, die die Dänen verraten hat. Sie war deutscher Herkunft, aber dänische Staatsbürgerin. Sie gehörte der deutschen Minderheit an, und ich verbiete Ihnen, sie ein Flittchen zu nennen.«
    Toftlund schielte zu Aischa hinüber. Ihr brauner Teint war blaß geworden, sie sah weg, und anscheinend fühlte sie sich ziemlich unwohl. Es mußte der Ton sein, nicht die Worte, der sie erschreckte.
    »Das sollte keine Beleidigung sein, Herr Toftlund.«
    »Es war aber eine, Herr Professor.«
    »Ich dachte bloß, wenn Sie diese schmerzliche Erfahrung mit sich herumtragen, daß Ihrer verehrten Mutter das Haar abgeschnitten …«
    »… und das Hakenkreuz auf die nackte Haut gemalt wurde, wollten Sie doch sagen, oder? Was wissen Sie eigentlich noch alles über mich?«
    »Genügend, Herr Toftlund. Genügend.«
    »Ich war noch gar nicht geboren, als das alles geschah.«
    »Nein, aber es ist trotzdem so als ob. Weil es ein Teil Ihres Familienschmerzes ist.«
    »Es war ungerecht und falsch. Es war falsch, daß die Schuldigen nicht bestraft wurden.«
    »Ihr Vater ließ Ihre Mutter aber trotzdem nicht im Stich.«
    »Selbstverständlich nicht. Er hat sie geliebt.«
    Er war immer noch wütend und wußte, daß man es ihm anmerkte, an seiner Sprechweise und den harten deutschen Konsonanten und dem starren Blick, den er auf Ibrahim richtete. Sein großer Bruder hatte schon für unwichtigere Dinge Ohrfeigen ausgeteilt. Und Per selbst hatte schon sehr früh in der Schule in Tondern mit Muskeln und Fäusten darauf aufmerksam gemacht, daß dieses Thema nicht zur Debatte stand. Es war tabu. Es sei denn, man war bereit, ein paar hinter die Löffel zu kriegen.
    Ibrahim sah ihn an. Im Blick des alten Mannes waren Mitgefühl und Angst zu spüren. Als wäre er doch erschreckt über die nur mühsam zurückgehaltene Gewalt, die in Toftlunds Körpersprache lag und die, so stand zu befürchten, ein falsches Wort, eine falsche Geste zum Ausbruch bringen konnte. Aischa hatte sich tief in ihren Sessel gedrückt und die Arme vor der Brust verschränkt.
    »Ich entschuldige mich, Herr Toftlund. Ich kenne die Geschichte Ihrer Familie. Sie ist gut ausgegangen. Ich weiß, daß Ihre Eltern viele Jahre lang erfolgreich einen Zeltplatz bei Tondern geführt haben.«
    »Sie wissen viel.«
    »Das ist mein Leben. Ich hatte gehofft, die Tatsache, daß Ihre Mutter ungerecht behandelt und mißhandelt wurde, würde Sie leichter verstehen lassen, wie sich die Muslime Europas heutzutage oft fühlen.«
    »Ich sehe da keinen Zusammenhang.«
    »Sie fühlen sich ungerecht behandelt. Sie fühlen sich verfolgt. Sie fühlen sich nicht wie vollwertige Bürger in der Gesellschaft, sondern wie Menschen zweiter Klasse, die aufgrund einiger weniger fanatischer Glaubensbrüder zu Unrecht diskriminiert werden.«
    Toftlund lehnte sich zurück und atmete tief ein.
    »Sie sind klug, Herr Professor. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit, und das wissen Sie auch. Kann sein, daß Sie ein Gelehrter sind, aber in Wirklichkeit sind Sie einer wie ich. Sie wurden während des Krieges von den Briten oder Franzosen angeworben, und Sie haben diese Verbindung nie gekappt.«
    »Ich finde, daß Sie sich gerade selbst als mein verehrter Gast äußerst unhöflich benehmen …«
    »Das ist ein Spiel, von dem man sich nicht so einfach abmeldet.

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