Der Feind in deiner Nähe
gerne duschen, wenn du möchtest.«
»Ich stecke in Schwierigkeiten, Meg.«
»Ich weiß.«
Plötzlich war ich von Angst erfüllt. Wie meinte sie das? Wie konnte sie etwas darüber wissen? Ich wollte nicht, dass sie mich mit ihren klugen Augen missbilligend musterte. Ich wollte von niemandem gemustert werden. Aber es gibt überall Augen, wohin man auch geht, und man kann sich nicht verstecken, seine schmutzigen Geheimnisse und seine Scham nicht verbergen.
»Ich nehme ein Bad«, antwortete ich matt und schlurfte in ihr Badezimmer, wo der Heizkörper summte.
Nachdem ich eine ganze Weile in dem heißen Wasser gelegen hatte, schlüpfte ich in eine schwarze Cordhose und ein weiches rosa Shirt, das ich Meg zu ihrem letzten Geburtstag geschenkt hatte. Sie gab mir sogar eine kleine Zahnbürste, die noch von ihrer letzten Flugreise stammte. Ich vermied es, einen Blick in den Spiegel zu werfen. Ich hatte Angst vor meinem eigenen Anblick. Für einen Moment verharrte ich völlig regungslos, hielt mich am Waschbecken fest und wartete darauf, dass sich das Entsetzen wieder in mein Inneres zurückziehen würde, wo es ungestört wachsen und gedeihen konnte.
»Hier, Kaffee«, sagte Meg.
Ich versuchte, ihn entgegenzunehmen, aber meine Hände zitterten so sehr, dass ein Teil der heißen Flüssigkeit auf meiner Haut landete und ich gezwungen war, die Tasse wieder abzustel-len und wie ein Hund aus seiner Schüssel daraus zu trinken.
»Möchtest du etwas essen?«
»Nein, ich würde jetzt keinen Bissen hinunterkriegen.«
In dem Moment konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, jemals wieder etwas zu mir zu nehmen. Ich würde fasten, bis ich irgendwann so leer und sauber sein würde wie ein Kind, das nicht vom Leben beschmutzt und besudelt war.
»Also«, sagte Meg. Sie stützte das Kinn in die Hand und sah mich an.
»Ich habe eine Dummheit gemacht.«
»Dieser Mann?«
»Nein, er hat mich nur heimgefahren.«
Meg hob die Augenbrauen, sagte aber nichts. Sie wartete darauf, dass ich reden, ihr alles erzählen würde.
»Ich kann nicht«, sagte ich. »Tut mir Leid. Ich muss mit Charlie reden. Er sollte das als Erster erfahren. Ich werde mir ein Taxi rufen und ihn um eine Aussprache bitten.«
»Das klingt gut.«
Am liebsten hätte ich wie ein kleines Kind zu ihr gesagt: Bitte bleib meine Freundin. Ich war nahe dran, aber Meg, die mir mit müder, ernster Miene gegenübersaß, erschien mir so erwachsen, so abgeklärt, so weit weg von mir und meinen hässlichen Problemen, dass ich mir fast nicht vorstellen konnte, dass wir noch Freundinnen und Partnerinnen waren, zwei Frauen, die dieselbe Sprache sprachen und sich auch ohne Worte verstanden. Im Moment waren wir meilenweit davon entfernt.
»Es tut mir Leid«, sagte ich lahm. »Meg? Es tut mir Leid.«
Wir schwiegen eine ganze Weile. Im Raum war es so still, dass ich mein eigenes heiseres Atemgeräusch hören konnte.
Verlegen zupfte ich an dem rosa Shirt herum und stellte bei der Gelegenheit fest, dass ich meine Nägel noch weiter herunterge-bissen hatte, auch wenn ich mich daran überhaupt nicht erinnern konnte. Ich wartete. »Es ist kein Licht am anderen Ende des Tunnels«, sagte ich zu mir selbst. »Dieser Tunnel geht immer weiter, und in der Dunkelheit rasen schreckliche Dinge auf mich zu.«
Schließlich sah Meg mich an, als hätte sie einen Entschluss gefasst. Dann sagte sie: »Ich kann das nicht mehr.« Ihre Stimme klang hart. Ihr Gesicht wirkte ebenfalls hart.
»Wie meinst du das? Was kannst du nicht mehr?« Meine eigene Stimme hörte sich an wie ein Krächzen. Ich musste an eine Krähe auf einem hohen Baum denken.
»Dein Verhalten ertragen. Glaubst du, dass ich in meinem Leben nichts anderes zu tun habe, als das Chaos aufzuräumen, das du überall hinterlässt?«
»Ich weiß nicht, was du –«
»Denkst du dabei eigentlich auch einmal an mich? Oder Charlie? Oder irgendjemand anderen außer an dich? Du kannst dir die Antwort sparen. Natürlich tust du das nicht. Die Welt dreht sich nur um dich und deine dummen Wünsche. Du hältst dich für wundervoll und einmalig, stimmt’s?«
»Im Moment eigentlich nicht –«, begann ich.
»Mit deinen langen Haaren und deinen großen Augen. Du glaubst, wenn du mit deinen schwarzen Wimpern klimperst, kommen gleich alle angerannt, um dir zu helfen. Dir zu helfen, wenn du in Schwierigkeiten steckst, und dir zu verzeihen, wenn du sie im Stich lässt. Schließlich meinst du es ja nie so. Du bist eben impulsiv, nicht wahr? So spontan
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