Der Feind in deiner Nähe
um mit dir zu reden, das ist alles.«
Er sprach sehr undeutlich und schwankte ein wenig.
»Du bist betrunken. Hallo? Hallo? Ja? Ist da die Notrufstelle?
Mein Name ist Holly Krauss, und es ist ein Einbrecher in meinem –«
Er hechtete über das Bett und schlug mir das Telefon aus der Hand. Der Hörer landete auf dem Boden, wo Stuart ihm noch einen Tritt versetzte. Dann riss er das Kabel aus der Wand.
»So«, keuchte er. Sein Gesicht war rot gefleckt.
»Verlass sofort mein Haus.«
»Nicht, bevor wir geredet haben.«
»Es gibt nichts mehr zu reden.«
»Holly Krauss. Du hältst dich für besonders klug, was? Du glaubst, du bist die Tollste von allen.«
»Ich gehe jetzt nach unten. Lass mich vorbei.«
»Wir haben heute Nachmittag mit eurem bescheuerten Anwalt gesprochen. Nach unserem Gespräch heute Morgen. Du hast mir gar nicht zugehört, oder? Du hörst nie zu.«
»Unser Anwalt hat uns empfohlen –«
»Halt den Mund, und hör mir ein einziges Mal zu. Sie wird nicht einmal ein Zeugnis bekommen, oder?« Seine Stimme wurde immer lauter, sein Gesicht immer roter. »Sie liegt sowieso schon am Boden, und du verpasst ihr noch einen letzten Tritt. Das macht dir Spaß, oder? Deine Macht so richtig auszu-kosten. Genau wie es dir Spaß gemacht hat, mich zu demütigen.
Mich vor allen anderen zu verspotten. Was glaubst du, wie sich das angefühlt hat? Das macht dich an, oder?«
»Dass du etwas mit Deborah hast, heißt noch lange nicht, dass du –«
»Hast du sie eigentlich noch alle?«, schrie er. »Geht es in deinen kranken Kopf nicht hinein, dass zwischen mir und Deborah nichts läuft? Ich bin nur – ich versuche doch nur …
und du sitzt da und machst dich über mich lustig.«
»Ich mach uns Kaffee«, sagte ich. »Es war wirklich nicht meine Absicht, mich über jemanden lustig zu machen.«
Ich steuerte auf die Tür zu, aber er hielt mich an der Schulter fest und drehte mich zu sich herum. Ich bemerkte Speichel an seinem Kinn und roch den säuerlichen Alkoholatem. »Du gehst nirgendwohin.«
»Nimm deine Hand weg.«
»Du gehst erst, wenn ich es sage.«
Er drückte mich gegen die Wand. Ich stieß ihn mit einer heftigen Bewegung von mir weg, sodass er nach hinten taumel-te. Mein Blick fiel auf den Handspiegel auf der Kommode, den mir meine Großmutter geschenkt hatte. Ich griff danach, nahm ihn wie einen Tennisschläger in die Hand und knallte ihn Stuart ins Gesicht. Während er vor Schmerz und Wut aufheulte, war ich schon zur Tür hinaus und glaubte bereits, es geschafft zu haben, als er mich noch am Bademantel erwischte und festhielt.
Dann schlug er mir mit einer solchen Wucht ins Gesicht, dass es mir den Kopf nach hinten riss und ich einen stechenden Schmerz im Nacken spürte.
Er hatte immer noch die Hände an meinen Schultern, aber seine Miene wirkte plötzlich erschrocken und bestürzt.
»Holly, das wollte ich nicht«, stammelte er, »aber du hast einfach immer weitergemacht! Ich musste dich stoppen!«
»Nein«, sagte ich. »Nein.«
Sein Griff verstärkte sich. Ich riss die Hand hoch und schlug aufs Geratewohl nach ihm. Als er zurückwich, rannte ich los, zur Tür hinaus und auf die Treppe zu. Ich hatte das Gefühl, ihn knapp hinter mir zu hören, als ich plötzlich das Gleichgewicht verlor. Meine Füße blieben an der Treppe hängen, und ich streckte die Arme aus, um mich abzustützen, fand aber keinen Halt und schlug mit dem Kopf gegen das Geländer. Der Boden unten kam im Zeitlupentempo auf mich zu, und ich nahm plötzlich alles ganz klar und deutlich wahr: den Verputz der Wände, die ich noch immer nicht gestrichen hatte, den dünnen Teppich, den keuchenden Atem hinter mir, die Schuhe in der Diele, die offenen Schnürsenkel.
Dann knallte mein Kopf auf den harten Boden. Lichter blitzten auf, überall in meinem Körper explodierte der Schmerz. Ich hörte jemanden wimmern, und mir war klar, dass ich das sein musste. Ich öffnete die Augen und sah, dass ich wie eine gerade ins Wasser springende Taucherin beide Arme über dem Kopf ausgestreckt hatte. Eines meiner Beine ragte noch die Treppe hoch, das andere spürte ich nicht. Als ich es zu bewegen versuchte, stellte ich fest, dass es sich unter mir befand und stark angewinkelt war. Der Knöchel sah verdreht aus und tat ziemlich weh.
»Holly!«, sagte eine Stimme. »O Gott, Holly!«
Ein heulendes Geräusch hallte durch meinen Kopf. Jemand klopfte an die Tür, dann schwang sie auf, und wieder sah ich Schuhe vor meinem Gesicht, klobige schwarze
Weitere Kostenlose Bücher