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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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tun werde, was ich für richtig halte, weil Elena keine Schuld trägt, so wenig wie ich, und ich habe schon genug damit, deine Schuld zu tragen und darauf verzichtet zu haben, dir in die Augen zu sehen und zu sagen, dass du ein Mörder bist, oder hinzunehmen, dass du aus einem Dutzend Churros ein Verbrechen machen willst.
    »Jetzt reicht es, Antonino.« Vater sah mich an und ich ihn, als wollte der eine den anderen zum Duell auffordern, bis Mutter es nicht mehr aushielt. »Schließlich hat der Junge nichts …«
    »Du sollst mir nicht reinreden, Mercedes!« Der zweite Schrei galt mir. »Ob das klar ist, habe ich gefragt!«
    Du bist schuld, Vater, du und deine absurde Idee, dass ich als Sekretär im Rathaus arbeiten soll, alles deine Schuld, ich wollte keine Schreibmaschine lernen, ich wollte nicht, dass man mich Don Antonino nennt, aber du hast darauf bestanden, du hast mich gezwungen, und jetzt ist es zu spät.
    »Ja, Vater.«
    Es war auch seine Schuld, dass ich ihn belog, denn ich konnte nicht riskieren, dass er mir Hausarrest erteilte, nicht an diesem Tag, so kurz vor den Ferien, und ich sagte, er könne beruhigt sein, er werde nie wieder etwas Derartiges erleben. Während ich das Zeugnis aus dem Ranzen nahm und es auf den Tisch legte, ließ mich mein eigener Zynismus innerlich gefrieren.
    »Don Eusebio hat die Zeugnisse verteilt. Ich habe überall eine Eins, außer in Französisch, da hat er mir eine Drei gegeben. Wir haben erst in diesem Schuljahr damit angefangen, aber ich glaube, dass er selbst nicht richtig Französisch kann.«
    Je weniger sie wissen, desto weniger können sie tratschen. Als ich diese Worte hörte, hatte ich ihnen keine Beachtung geschenkt, doch seit diesem Abend vergaß ich sie nicht mehr. So begann 1949, ein Jahr, das wie alle anderen schien, doch schon vor seinem Beginn anders war. Noch ehe Elenas Rückkehr mein Leben völlig durcheinanderwirbelte, waren im letzten Monat des Jahres 1948 einige erstaunliche Dinge passiert, doch niemand erkannte darin die ersten Anzeichen für eine grundlegende Veränderung. Die Steine, die man auf dem Brett aufgereiht hatte, um eine Partie zu spielen, deren Datum noch nicht festgelegt war, bewegten sich plötzlich von selbst, und während man in der Kaserne über keine Neuigkeit so tratschte wie über die Verlobung von Sonsoles und Curro, die Mutter und ihre Freundinnen monatelang in Atem hielt, führte im Dorf die Schwangerschaft der unverheirateten Filo, die nicht einmal einen festen Freund hatte, soweit man wusste, zu einem noch größeren Aufruhr.
    Meine Freunde lachten sich krumm, wenn sie Sonsoles und Curro durchs Dorf spazieren sahen, weil man in Fuensanta de Martos noch nie ein so affiges Pärchen gesehen hatte, doch ich freute ich mich für Mediamujer. Die arme Sonsoles war fast schon sechsundzwanzig, zwei Jahre älter als der einzige ledige Mann, auf den sie hoffen konnte, sie hatte ein bisschen echtes Glück verdient, nachdem sie sich an Unmengen von schwärmerischen Groschenromanen mit gelblichen, schlecht bedruckten Seiten berauscht hatte, in denen kein Lächeln so strahlte wie ihr eigenes, wenn sie an Curros Arm die Straße hinunterkam, um sich nach der Weihnachtslotterie zu erkundigen. Sie selbst hatte bereits das große Los gezogen, und er, der es wahrscheinlich leid war, von Isabel Mariamandil nur immer angelächelt zu werden, ohne ein Wort der Hoffnung, schien froh zu sein, endlich Erfolg zu haben, auch wenn seine Braut ihrer Mutter damit hatte drohen müssen, durch eine Schwangerschaft die Heirat zu erzwingen, falls sie sich weiterhin ihren Plänen widersetzte.
    Curro war das vierte von sechs Geschwistern, allesamt Waisen eines Gefreiten der Guardia Civil, und besaß, abgesehen von seinem Gehalt, so gut wie nichts. Sonsoles aber hatte bereits zu viel Zeit verloren, und da sie seit Marisols Verlobung zu Hause bleiben musste und sich die Straße nur hinter der Gardine anschauen konnte, war klar, dass er ihre letzte Chance war. Ich hatte so oft gesehen, wie sie mit geschlossenen Augen einen Roman an ihre Brust drückte, als zerflösse sie im nächsten Moment vor lauter Rührseligkeit, und mir war klar, wie sentimental, aber keineswegs dumm sie war. Auf alle Fälle war ihre Entschlossenheit offenbar so überzeugend, dass sich ihr Verlobter zum Ende des Jahres mit seinen eins achtundsiebzig auf einen Stuhl aus Mahagoniholz in Doña Conchas Speisesaal quetschte. Ihm gegenüber saß Pedrito, Don Justinos Sohn. Ihre gemeinsame Gastgeberin und

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