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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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erzählte, manche Leute hätten gesehen, wie Filo mit einer Pistole in der Tasche in die Bar gestürmt sei und geschrien habe, Kinder ja, Ehemänner nein, wie vor dem Krieg, andere dagegen behaupteten, sie hätte die Anwesenden gewarnt, dass der Vater des Kindes von den Bergen hinunterkommen und jeden kaltmachen würde, der sie belästigte. Letzten Endes war es unmöglich herauszufinden, was tatsächlich in der Bar passiert war.
    »Das mit der Pistole stimmt auf keinen Fall«, fasste Vater zusammen. »Aber die Rubias sind wirklich verdammt mutig.«
    »O ja.« Wie üblich widersprach Mutter nicht, wenn er den Mut bestimmter Frauen lobte.
    Ich dachte genauso wie sie, so wie Elena und ihre Großmutter, so wie meine Freunde und das ganze Dorf, mit einer einzigen überraschenden Ausnahme: Pepe.
    »Von wegen Mut!«
    Wir gingen den Hang hinunter, nachdem wir den Nachmittag auf dem Hof verbracht hatten, er mit Paula, ich bei meiner ersten Französischstunde und später allein mit Elena, der ich die Bücher von Jules Verne zeigte, die ich gelesen hatte, und die Illustrationen und die Handlung erklärte. Gibt es in diesem Buch auch Mädchen?, fragte sie mich immer. Bücher, in denen keine Mädchen vorkommen, gefallen mir nicht, weil es dann keine Liebesgeschichte gibt, und ohne Liebe langweile ich mich. Ich antwortete ja oder nein, je nachdem, aber der Blick, mit dem ich sie ansah, war immer gleich: schmachtend.
    Sie war schon fast seit einem Monat wieder im Dorf und hatte sich damit abgefunden, wieder so herumzulaufen wie früher, mit einem Kittel aus Baumwolle über einem schlichten Kleid, doch seit sie aus Oviedo zurückgekommen war, hatte sie sich nicht mehr schmutzig gemacht und zeigte keine verschrammten Knie mehr wie früher, als sie den ganzen Tag mit Manolis Kindern Frösche fing oder Vögel jagte. Ihre Beine steckten jetzt in Strumpfhosen aus feiner Wolle und wirkten länger, schöner als früher. Auch die Satinschleife, mit der sie die wilde Haarsträhne bändigte, war geblieben. Drei verschiedene gab es, deren Enden zu einem V geschnitten waren, eine rote, eine blaue und eine goldene, die sie auf die Farben ihrer karierten Kittel abstimmte. Ihre Großmutter nannte sie weiterhin Mariquita Pérez und machte sich über ihre Versuche lustig, wie eine feine Dame zu sprechen, indem sie das S lispelte, war aber froh, dass sie endlich Interesse für Bücher zeigte. Sie fand, ich sei ein gutes Beispiel für sie, doch das war nichts im Vergleich zu dem, was ich für sie sein wollte.
    Elena wusste es, und es gefiel ihr, deshalb erlöste sie mich manchmal davon, mir einen Vorwand ausdenken zu müssen, um nachmittags noch etwas länger bleiben zu dürfen, und bat mich, ihr bei den Hausaufgaben zu helfen, mit ihr Tannenzapfen für den Kamin zu sammeln oder von Jules Vernes Romanen zu erzählen. Wir taten nur das, spazieren gehen, sprechen, uns anlächeln, ohne uns auch nur ein einziges Mal zu berühren, und dennoch war ich an solchen Nachmittagen so glücklich, dass mir alles schöner erschien, wenn ich aus dem alten Häuschen kam, die Wolken, die Büsche, die kahlen Winterbäume. Und wenn ich den Hang hinunterlief, war es, als berührten meine Füße nicht einmal den Boden, als schwebten sie dahin, während mich eine unsichtbare Kraft in der Luft hielt, schwerelos, unsterblich. So fühlte ich mich auch an jenem Januarnachmittag, als der Portugiese plötzlich hinter mir herrannte.
    »Nino! Hat dir Elena nicht gesagt, dass du auf mich warten solltest?«
    »Nein. Ich habe mich gerade von ihr verabschiedet …« Und dann erinnerte ich mich. »Ach, Doña Elena!«
    »Ja, Doña Elena, stimmt, es gibt ja jetzt zwei davon auf der Welt.« Als er mich einholte, verpasste er mir aus Spaß eine Kopfnuss, aber sie tat nicht weh. »Hier, kannst du das für Sanchís mitnehmen?« Es war ein Topf mit Honig, wie immer. »Nach der Nummer, die Filo neulich abgezogen hat, habe ich keine große Lust, mich im Dorf blicken zu lassen.«
    Er schien wütend zu sein, und ich verstand nicht, warum. Und als ich ihm meine Meinung dazu sagte, wurde er noch wütender.
    »Von wegen Mut! Das ist keine Frage von Mut, sondern von Klugheit. Und Filo, die so schlau ist, so überaus schlau, ist in Wirklichkeit ein Dummkopf.«
    »Aber Paula … «, wagte ich dagegenzuhalten.
    »Paula ist stinkwütend auf sie, was man verstehen kann, und Chica ebenfalls, aber sie werden diesen Dreckskerlen nicht die Genugtuung verschaffen, sich etwas anmerken zu lassen. Und jetzt was?

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