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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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Was soll Filo machen, schwanger, in diesem Dorf, in dieser Zeit … das ist Wahnsinn.«
    »Du meinst, weil sie jetzt entehrt ist?«, fragte ich, ohne einen Hehl aus meiner Verwunderung zu machen. Ich hatte nicht erwartet, dass ihm das Probleme machen könnte, aber er schüttelte hastig den Kopf.
    »Nein.« Er hob den Zeigefinger, so wie immer, wenn er mir bedeuten wollte, dass er es ernst meinte. »Weil sie ein Kind bekommen wird. Das ist Wahnsinn. Die Ehre … die Ehre haben die Priester erfunden, um die Menschen zu verarschen, aber die muss man weder ernähren, kleiden, warm halten noch mit Medikamenten versorgen, wenn sie krank wird, verstehst du. Filo kann sich so oft entehren lassen, wie sie will; das ist ihr gutes Recht, und niemand kann es ihr nehmen. Nur schwanger durfte sie nicht werden, verdammt! Es war das einzige, was sie auf alle Fälle verhindern musste, und jetzt ist genau das passiert.«
    Weil der Vater Regalito ist, der Cencerro von Fuensanta, dachte ich, behielt es aber für mich, weil ich gerade noch rechtzeitig begriff, dass es nicht nötig war, denn der Portugiese war ebenfalls im Bilde. Wahrscheinlich hatte er es schon vor mir gewusst, und dieses Mal schlug mein Herz nicht mehr schneller, meine Hände begannen nicht zu schwitzen, und ich hatte weder Angst um mich noch um ihn, noch sonst was. Ich musste mich auch nicht fragen, warum, was es bedeutete oder wohin mich diese Entdeckung führte. Es gab eine einfache und eine komplizierte Erklärung, doch ich dachte nicht einmal daran, dass Regalitos Freundin und Pepes Freundin Schwestern waren, sondern ging ganz ruhig weiter, ohne über den Mann neben mir ein Urteil zu fällen. Der Portugiese wusste alles, er hatte es schon immer gewusst, und ich akzeptierte es genauso natürlich wie alles, was ich erfahren hatte, ohne es wissen zu wollen. Als ich mich an diesem Abend schlafen legte, dachte ich darüber nach, was Pepe wohl mit Paula anstellte, damit sie ihr Recht in Anspruch nehmen konnte, sich entehren zu lassen, ohne schwanger zu werden, und noch ehe ich mich versah, schlief ich ein. Als ich am nächsten Tag aufwachte, fragte Mutter, wie ich meinen Geburtstag feiern wollte, und ich antwortete, gar nicht.
    »Nein?« Sie lachte, als hätte ich einen Witz gemacht. »Und warum nicht?«
    »Wenn ich nicht die einladen kann, die ich gerne einladen möchte, dann lieber gar keinen.«
    »Sagst du das wegen des Mädchens?« Als sie sah, dass ich es ernst meinte, verdüsterte sich ihr Gesicht. »Nino, bitte. Was für ein Unsinn! Verstehst du denn nicht …?«
    »Klar verstehe ich, Mutter, ich verstehe alles.«
    Trotzdem feierte ich am 14. Januar 1949 meinen Geburtstag, obendrein gleich doppelt. Um fünf erwartete mich in dem alten Häuschen der übliche Imbiss für größere Anlässe, frisch gebackene, mit Zucker bestreute Pfannkuchen, die noch warm waren, und dieselbe Flasche Wein aus Málaga, die wir am Tag meiner bestandenen Prüfung geöffnet hatten. Dieses Mal gab es nicht zwei, sondern drei geschliffene Gläschen, jedes in einer anderen Farbe, alles Überlebende des Schiffbruchs in ihrem ehemaligen Haus. Elena war die Dritte im Bunde.
    »Auf dich, Nino.« Ihre Großmutter sprach den Toast aus. »Auf dass du noch viele glückliche Geburtstage erlebst und wir sie mit dir feiern können. Und jetzt die Geschenke …«
    Sie stand auf, um sie zu holen, und ich stieß noch einmal mit ihrer Enkelin an, wobei ich mein grünes Glas so vorsichtig an ihr blaues stieß, dass die Berührung einen Ton erzeugte, spitz und leise wie ein Funken. Dann kippte Elena blitzschnell den Rest aus dem Glas ihrer Großmutter in unsere Gläser. Wir kicherten noch, als Doña Elena zwei Päckchen auf den Tisch legte, ein weiches unförmiges und ein hartes, ein perfektes Rechteck in bedrucktem Papier, das seinen Inhalt verriet. Das Buch hob ich mir für später auf und packte zuerst einen bunten, selbstgestrickten Schal ohne Fransen an den Enden aus, wie für erwachsene Männer.
    »Vielen Dank.« Er war sehr schön und viel fröhlicher als die aus grauer Wolle, die Mutter mir strickte. »Er gefällt mir sehr.«
    »Wir haben ihn zusammen gemacht.« Die jüngere Elena sah mich an, und mir war, als stockte mir das Herz.
    »Zusammen?« Die ältere Elena lachte. »Von wegen, ich habe ihn ganz allein gestrickt.«
    »Aber die Farben habe ich ausgesucht, oder etwa nicht? Und ein bisschen habe ich auch gestrickt. Leider habe ich mich zu oft verhauen, und Großmutter musste alles wieder

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