Der Feind meines Vaters - Roman
noch gar nicht geboren war, so viel Mitleid, zu viel und vergebens, ärmlich wie meine Ambitionen und ebenso unnütz. Das schäbige Erbe eines Mannes, dem alles misslungen war, das Erbe, das er mir gerade aufgebürdet hatte und das ich nicht mehr ignorieren konnte, weil ich am Ende doch groß genug wäre für die Guardia Civil und weder Französisch noch Schreibmaschine können musste und auch nicht in einem Büro arbeiten, damit niemand mich auslachte.
»Darf ich jetzt ins Bett, Vater?«
»Nein.« Seine Stimme zitterte, während er mir die offenen Arme entgegenstreckte. »Komm noch einmal her.«
Ich umarmte ihn, wie ich ihn noch nie umarmt hatte, wie ich noch nie jemanden umarmt hatte, als gäbe es außerhalb dieser Umarmung nichts, nur Leere und hinter ihr die Welt derjenigen, die von Geburt an Glück gehabt hatten, die über ihr eigenes Leben bestimmen konnten, die nicht im Jahr 1949 in der Kaserne von Fuensanta de Martos dienen mussten. Diese Welt war nicht die meine, ich würde niemals dorthin gelangen, mit einem Sprung die Kluft überwinden, die zwischen ihr und mir lag. Meine Arme verschmolzen mit denen meines Vaters zu einem festen, warmen Knoten, einer Traurigkeit ohne Licht oder Hoffnung. Das wollte ich dem Portugiesen drei Tage später klarmachen, doch selbst das gelang mir nicht ganz.
»Aber Nino, das ist doch kein Grund, so den Kopf hängen zu lassen.« Er schlug mir aufmunternd auf den Rücken, doch ich konnte sein Lächeln nicht erwidern. »Ich bin sicher, dass Elena nichts dagegen haben wird, dich umsonst zu unterrichten.«
»Ja, trotzdem ist es nicht dasselbe.«
Das stimmte. Alles war dabei, sich zu verändern, und zwar so rasend schnell, dass es nie wieder dasselbe wäre, weder in meinem Leben noch dem der anderen, denn noch ehe meine letzten Französischstunden zu Ende gingen, stand unsere erbärmliche kleine Welt zum letzten Mal kopf, und Fuensanta war nie wieder das Dorf, das es einmal gewesen war.
Als Mutter sich am 26. März vor uns hin und her drehte, damit wir ihr neues Kleid bewundern konnten, sah man bereits deutlich, dass sie schwanger war. Pastora, die das nie geschafft hatte, warf ihr einen neidischen Blick zu, als sie ebenfalls todschick zu uns herüberkam, um mit meinen Eltern zu Marisols Hochzeit zu fahren. Sie fand in einem Hotel in der Hauptstadt statt, nachdem der zukünftige Schwiegervater das Haus im Dorf verspielt hatte. Sanchís erklärte, dass es ihm nichts ausmache, allein als Wache in der Kaserne zu bleiben, sodass alle zur Hochzeit fuhren, die Männer in Uniform, um Geld zu sparen, die Frauen so elegant wie noch nie. Und in den frühen Morgenstunden, als alle noch mit den frisch Vermählten feierten und tanzten, fuhr ein leerer Wagen mit ausgeschalteten Scheinwerfern nach Fuensanta de Martos hinein und mit vier Frauen wieder heraus, Filo la Rubia, Fernanda la Pesetilla, die ihre beiden Kinder mitnahm, María Cabezalarga und Isabel Mariamandil, die freiwillige Nonne, nach der sich Curro so lange gesehnt hatte und die vielleicht das einzige Mädchen im Dorf war, dem niemand von uns so etwas zugetraut hätte. Den Wagen konnte später niemand identifizieren, weil ihn nur ein Tagelöhner sah, der weder lesen noch schreiben konnte, keinen Verdacht schöpfte und das Kennzeichen nicht hätte lesen können, selbst wenn er es gewollt hätte. Die Hochzeit war ein Erfolg, die Flucht ebenfalls, weil die Mariamandiles wie die anderen wohlhabenden Verwandten von Don Justino in Jaén übernachteten, im selben Hotel, in dem auch das Festessen stattfand, und ihre Tochter bis Montag den 28. nicht vermissten.
Am frühen Morgen kam das Mädchen, das Isabel bei der Pflege ihrer Großmutter half, zu ihnen und berichtete, sie käme nicht ins Haus. Die Tür wäre abgeschlossen, und die Großmutter hätte tränenüberströmt im Nachthemd am Fenster gestanden und gegen die Scheibe geklopft. Doña Felisa, die mehr um ihre Tochter besorgt war als um ihre Schwiegermutter, lief sofort hinüber, fand aber von Isabel keine Spur. Das Haus war aufgeräumt, auf dem Küchentisch standen mehrere Schüsseln mit Essen, und daneben lag ein handgeschriebener Zettel, Papá, Mamá, ich gehe, sucht mich nicht, ihr wart immer gut zu mir, aber ich muss mein eigenes Leben führen, eure euch liebende Tochter Isabel.
»Da können wir nichts machen, Doña Felisa«, versuchte der Leutnant ihr so behutsam wie möglich beizubringen, nachdem er den Zettel gelesen und Curro in die nächste Bar geschickt hatte, um einen
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