Der Feind meines Vaters - Roman
Fingenegocios bereits in ihr Leben getreten war wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen.
»Ich wusste genau, wohin ich an dem Abend gehen musste, als ich verwundet wurde«, erklärte er im selben Interview. »Ich hatte noch ein anderes Haus, dem ich vertraute, schleppte mich aber mit letzter Kraft zum Hof ihrer Großmutter. Ich wusste, dass ihre Enkelin dort war, weil ich sie oft mit meinem Fernglas beobachtet hatte.« Sie brachte ihn ins Haus und säuberte die Wunde, holte dann mit dem Griff eines Löffels die Kugel heraus und nähte die Wunde nach den Anweisungen des Verwundeten. »Es war der schlimmste Augenblick in meinem Leben, als ich in seiner Wunde herumstochern und sie anschließend nähen musste. Ich kann bis heute nicht daran denken. Ich hatte schreckliche Angst, dass sie sich entzündete. Aber ich war sehr vorsichtig, und alles ging gut aus. Dann schaffte ich eine Matratze auf den Dachboden und bereitete ihm ein Lager. Dort blieb er … ich weiß nicht mehr, wie lange, einen Monat, oder? Bis er wieder ganz gesund war.«
Um zu wissen, was auf jenem Dachboden geschehen war, brauchte man sich nur das Foto anzusehen, das die Reportage illustrierte, als nähme es den Jubel vorweg, den es in seiner Familie hervorrufen würde. Enrique Fingenegocios hatte einen Arm um Isabel Mariamandils Schultern gelegt, und seine rechte Hand hing sorglos über der Brust dieser aufgeblühten jungen Frau, die man mit ihrem engen, tief ausgeschnittenen Kleid, dem losen Haar und dem lebendigen Lächeln auf den geschminkten Lippen nicht wiedererkannte.
»Wenn ich daran denke, dass sie all die Jahre hier gelebt hat«, jammerte der Portugiese eines Nachmittags, als wir vom Hof der Rubias unterwegs zu Manolo el Sereno waren, einem Mann aus Frailes, dem er Öl für das Restaurant einer Freundin abkaufen wollte. »Sozusagen direkt vor meiner Nase, und ich habe nichts gemerkt. Verdammt nochmal! Was für eine Frau! Wie klug, wie mutig, und wie hübsch sie geworden ist, was für Brüste. Woher die wohl gekommen sind? Verdammter Fingenegocios, was für einen scharfen Blick der Kerl hatte. Ich hätte nicht übel Lust …«
»Worauf hättest du Lust, Pepito?«, unterbrach Paula unsere Unterhaltung. Sie war uns nachgelaufen, weil sie vergessen hatte, dass sie keinen Tabak mehr hatte, und gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf.
»Verflucht nochmal, hast du mich erschreckt, Paula!« Er rieb sich den Kopf. »Und außerdem hat es wehgetan.«
»Wehgetan? Ich sollte dir den Schädel einschlagen, du Hallodri, also beantworte meine Frage. Worauf hättest du Lust?«
»Was?« Der Portugiese drehte sich um, umarmte sie mit beiden Armen, sodass sie sich nicht rühren konnte, und hob sie in die Luft. »Worauf hättest du denn Lust, Paulita?«
»Wag es nicht!« Paula versuchte, sich zu befreien, strampelte mit den Beinen und bewegte die Arme, soweit er es zuließ. Sie trat ihn vor das Bein und dann noch einmal, bis er ein Bein um sie schlang und sie sich nicht mehr bewegen konnte. »Nicht vor dem Jungen.«
»Ach, mir vor dem Jungen eine runterzuhauen, ist in Ordnung, aber jetzt, wo ich dich am …« Ich glaubte, dass sie sich stritten, jedenfalls klang es so, doch im gleichen Augenblick fing sie an zu lachen, als hätte sie noch nie so viel Spaß gehabt. »So leicht kommst du mir nicht davon, hörst du? Das wenigste, was ich tun kann, ist, an deiner Nase zu lutschen.«
»Nein, nein, nein …« Paula lachte immer noch, warf den Kopf zurück, wandte sich ab, so gut es ging, hörte aber nicht auf zu lachen. »Nicht die Nase, bitte, nicht einmal die Nasenspitze, das ekelt mich.«
»Es ekelt dich, wie?« Er lachte genauso wie sie, und hätte ich es nicht bereits gewusst, so hätte seine Art, sie anzublicken, jedem gezeigt, warum ihm diese Bergziege mehr gefiel als ihre Schwester Filo, mehr als das Schlauchboot aus Jaén, mehr als jedes Foto von Isabel Mariamandil. »Verdammt, Rubia, was bist du eingebildet, wenn dich das so ekelt. Na gut, dann lutsche ich eben das Auge, was soll ich machen …«
»Nein! Das Auge noch weniger, ich bitte dich, bloß nicht das Auge …« Als Pepe die Zunge herausstreckte, konnte sie vor Lachen kaum noch sprechen. »Bitte nicht, das halte ich wirklich nicht aus.«
»Dann müssen wir eben einen Handel abschließen.« Pepe küsste sie auf den Mund und ließ sie keine Sekunde los, erlaubte ihr aber, die Füße wieder auf den Boden zu setzen. »Was kriege ich stattdessen?«
»Du kriegst …«
Paula hob den Kopf
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