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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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und blickte zum Himmel auf, die Zungenspitze zwischen den Zähnen. Sie dachte nach, doch noch ehe sie ihm einen Vorschlag machen konnte, wandte sich Pepe an mich.
    »Nino, geh jetzt lieber, dafür bist du noch zu klein.«
    »Und was ist mit dem Öl?«, fragte ich in dem Versuch, meine Rolle in dieser Szene noch etwas zu verlängern.
    »Welchem Öl?«
    Da vergrub Paula ihr Gesicht in seinem Hals und flüsterte ihm etwas ins Ohr, was ich nicht hören konnte, ihm aber offenbar sehr gefiel, denn er hob den Kopf, woraufhin sie ihn mit vielen feuchten Küssen überhäufte, von den Schultern bis zu den Wangen.
    »Einverstanden?«, fragte sie dann mit einer anderen Stimme, die wild und sanft zugleich war.
    »Ja«, antwortete er genauso heiser wie sie. »Sehr einverstanden.«
    »Das Öl, das wir in Frailes für eine Freundin kaufen wollten, die mit dem Restaurant«, beharrte ich auf die Gefahr hin, ihnen auf den Wecker zu fallen.
    »Aber dann wirst du in meiner Schuld stehen.« Sie sah ihn an und lachte erneut, als hätten sie mich gar nicht gehört. »Das ist dir ja wohl klar, oder?«
    »Was soll das heißen, in deiner Schuld? Du bist verdammt schlau, Paulita. Ich weiß wirklich nicht, wie du das anstellst, jedenfalls ziehe ich immer den Kürzeren.«
    »Was du nicht sagst«, erwiderte sie und fing erneut an zu lachen.
    »Was ist nun mit dem Öl?«, sagte ich und rechnete nicht mit einer Antwort, doch ich irrte.
    »Verschwinde, Nino.« Pepe legte seiner Freundin einen Arm um die Hüften und erwiderte ihre Küsse einen nach dem anderen, während er auf den Weg ins Dorf zeigte. »Und zwar dalli …«
    Er sah mich an und machte eine Geste mit dem Kopf, die bedrohlich war, schenkte mir aber zugleich ein so blödes, strahlendes Lächeln, wie nur er es fertigbrachte. Ich hatte den Sinn ihrer Worte nicht begriffen, und dennoch hatte ich etwas verstanden, denn diese Szene hatte mich mehr erregt als die beiden anderen Küsse auf den Mund, die ich bislang gesehen hatte, die von Sanchís und Pastora und die von Filo und Regalito. Also gab ich meinen Widerstand auf und machte mich auf den Weg ins Dorf, in bester Laune, mit einer Euphorie, die ich im ganzen Körper spürte: stechend, lustvoll und schmerzhaft zugleich. Es hinderte mich aber nicht daran festzustellen, dass der Portugiese schon wieder seinen Willen durchgesetzt hatte. Trotz der heimlichen Vorteile, die sie aus ihren Berechnungen zog, würde Paula an diesem Nachmittag Isabel nicht mehr erwähnen, das stand ebenso fest wie dass ich eines Tages sterben müsste. Trotzdem zählte ich bis zehn, nachdem ich um die erste Kurve gebogen war, ging noch einmal ein paar Schritte zurück und sah, wie sie mitten auf dem Weg standen und sich auf den Mund küssten.
    In den letzten Wochen des Sommers 1949 war Pepe nicht der einzige Mann im Dorf, der an Isabel Mariamandil dachte. Doch diese filmreife Geschichte hatte eine viel ernstere Konsequenz, denn nicht einmal der misstrauischste Bewohner von Fuensanta, egal auf welcher Seite er stand, wagte es, sich vorzustellen, dass eine spanische Zeitung, nicht einmal eine verbotene, ein derart freches Interview und ein so schamloses Foto veröffentlichen würde. Man sah doch gleich, dass sie nur französisch sein konnte. So rutschte die Legende von Cencerro unrettbar durch den Spalt von Isabels Ausschnitt, und das verlieh dem mutlosen Lächeln derer, die sich mit einem Frieden begnügen mussten, der im Grunde eine erneute, letzte und endgültige Niederlage war, zumindest vorübergehend einen Hauch von Boshaftigkeit. Als ich am nächsten Tag zum Abendessen nach Hause kam, nachdem ich den Portugiesen nach Frailes begleitet hatte, wo er Sereno schließlich neunzig Liter kalt gepresstes Olivenöl abkaufte, das der Lastwagen einer Transportfirma aus Madrid abholen würde, hatte die Seite aus Nuestra Bandera bereits die Kaserne erreicht, damit die Männer erleichtert aufatmen und die Frauen ihre eigenen Schlüsse ziehen konnten.
    »Kein Wunder, dass die arme Doña Angustias behauptet, sie würde kein Auge mehr zutun, seit Isabelita nicht mehr zum Schlafen nach Hause kommt«, sagte meine Mutter. »Wahrscheinlich hat sie die Großmutter mit Schlaftabletten vollgestopft, um auf dem Dachboden ihre Schäferstündchen abzuhalten.«
    Doch die Folgen dieser Episode hörten damit nicht auf, sondern machten eine andere Frau in der Kaserne glücklich, die es verdient hatte.
    »Nicht dass wir es nun besonders eilig hätten, das dürft ihr nicht glauben«, erklärte

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