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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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Kittel einer Köchin, die sich bei ihrem Mann, Nicolás Saltacharquitos, untergehakt hatte. Auf dieser Aufnahme sah man auch zwei Unbekannte, einen großen Mann mit lockigem Haar und einer Brille, die ungewöhnlich schmutzig sein musste, weil es keine Sonnenbrille war und man seine Augen dahinter nicht erkennen konnte, und noch einen, etwa eins achtzig groß, helles Haar und honigfarbene Augen, sehr gut aussehend, wenn auch nicht so wie Sanchís, fand ich. Sie standen auf dem Bürgersteig vor der Tür einer Bar oder eines Restaurants, auf dessen Markise ein Name prangte, den wir alle mühelos lesen konnten, »Casa Inés, Bosost-Küche«. Man sah nur das, keine Wagen, andere Menschen oder ein Schild mit dem Straßennamen, kein noch so kleines Indiz dafür, dass die Aufnahme im Ausland gemacht war. Alles war so unverwechselbar spanisch, dass Paquito nicht der einzige Bewohner von Fuensanta de Martos war, der nicht daran glaubte, dass den Widerstandskämpfern die Flucht gelungen war. Doch niemand wusste, was mit dem seltsamen Wort Bosost gemeint war.
    »Wird wohl der Name eines Gerichts sein, nicht?«, sagte Mutter und legte ihr Nähzeug auf dem Bauch ab. »So wie arme Ritter, eine Spezialität des Hauses.«
    »Ja, bestimmt«, nickte Romeros Frau. »Ein Bohneneintopf oder so was Ähnliches.«
    »Ich weiß nicht«, wandte Carmonas Frau ein. »So viele S, klingt eher wie eine Süßspeise, oder? Eine Torte oder ein Nachtisch.«
    »Gut möglich«, gaben die anderen zu, während sie im Schatten häkelten. »Ja, so was wie Vanillekrapfen.«
    Ich folgte ihren Annahmen, ohne ein Wort zu sagen, verpasste aber keine Gelegenheit, Paquito zu widersprechen, wenn niemand uns hören konnte.
    »Weißt du denn nicht mehr, dass derselbe Name auf dem Zettel des Partisanen stand, der letztes Jahr Selbstmord beging? Und die Anschrift war eine Straße in Frankreich, erinnere dich …«
    »Ja, schon, aber Bosost stand nirgendwo«, entgegnete er. »Und es wird eine Menge Casas de Inés auf der Welt geben! Unzählige, und außerdem … Mensch, Nino, man könnte fast meinen, du freust dich, dass sie entkommen sind.«
    »Nein, das ist es nicht.« Ich machte einen Rückzieher. »Wie könnte ich mich freuen? Ich glaube nur, dass ihr falschliegt.«
    Schließlich stattete ich Doña Elena einen Besuch ab, um im Lexikon die Bedeutung von Bosost nachzuschlagen, doch sie ersparte mir die Mühe mit einem Lächeln.
    »Sag deinem Freund Paquito, diesem Esel«, erklärte sie, während ich noch im Lexikon blätterte, »dass Bosost der Name eines Dorfes im Arán-Tal ist, das liegt in der Provinz Lérida in Katalonien.«
    Doch das wollte ich weder ihm noch sonst jemandem sagen, nicht aus Vorsicht, sondern weil diese Information nur dazu dienen würde, ihre Hoffnung oder Befürchtung zu verstärken, dass Regalito jeden Moment mit den Füßen voraus nach Fuensanta de Martos zurückkehren könnte. Bis Ende August die Bombe platzte und auch die Skepsis der Hartnäckigsten endgültig verscheuchte.
    Was dann bei Joaquín Fingenegocios und Vida Cuelloduro ankam, war kein Zeitungsausschnitt, sondern eine volle Seite mit der auf Spanisch geschriebenen Titelzeile Nuestra Bandera . Die meisten Erwachsenen, die sie sahen, kannten sie, und obendrein trug sie unten eine unmissverständliche Inschrift, Paris, am 2. August 1949. Doch nicht einmal das war so überzeugend wie der Inhalt, eine ganzseitige Reportage mit dem Titel »Eine Geschichte wie aus einem Film«.
    »Mir hatte er schon immer gefallen, seit wir klein waren, obwohl wir uns nur von weitem sahen, weil wir beide wussten, dass meine Familie diese Beziehung niemals gutheißen würde. In jener Nacht, als die Hunde anschlugen und ich rauslief, um nachzusehen, und ihn mit einem blutenden Bein hinter einem Gebüsch entdeckte, war es mir egal, dass er mit einer Pistole auf mich zielte. Ich dachte keine Sekunde daran, ihn zu verpfeifen, sondern war einfach nur froh, dass ich ihn gefunden hatte. Leg deine Waffe weg, sagte ich, nicht dass sie noch von alleine losgeht und du mich ausgerechnet jetzt umbringst, wo wir ungesehen zusammen sein können. Er lachte und steckte die Waffe ein, was sonst.«
    Isabel Mariamandil erzählte mit solcher Unbefangenheit, dass Doña Felisa sich ein Fieber einbildete, das sie daran hinderte, sich bis Weihnachten auf der Straße blicken zu lassen. Aus dem farblosen jungen Ding, das wir alle zu kennen glaubten, war eine mondäne Frau geworden, während wir keine Ahnung hatten, dass Enrique

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