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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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aus Málaga einlud, den sie in denselben geschliffenen bunten Gläschen servierte, wenn ich in ein Dorf zurückkehrte, das für mich nur noch aus ihr, der Wohnung meiner Eltern und der lästigen Pflicht aller Ferien bestand.
    Auch Pepe, der Portugiese, ging fort, mit zwei heilen Beinen und ohne Papagei auf der Schulter. Er selbst kündigte es mir an. Es war an einem dieser Nachmittage, als der Herbst in den Winter überging, denn die Luft wurde mit einem Mal klar und schneidend, und dann kam der Wind. Der Oktober war noch nicht zu Ende, doch auch in diesem Jahr würde der Frost über die Kalender spotten.
    »Wir sollten es lieber lassen, was?« Wir fischten am Fluss. »Es ist kalt.«
    »Ja.« Ich stand auf und knöpfte mir die Jacke zu. »Ich glaube, die guten Zeiten sind für dieses Jahr vorbei.«
    »Ja, sie sind vorbei«, wiederholte er mit geheimnisvoll ernster Stimme und begann, langsam seine Geräte einzusammeln. »Ich gehe fort, Nino.«
    Als ich das hörte, setzte ich mich trotz der Kälte, die mir in die Knochen gekrochen war, wieder neben ihn.
    »Wohin?«
    »Ich glaube, nach Sevilla.« Er sah mich an und lachte, als glaubte er selbst nicht, was er jetzt sagen würde. »Ich nehme Paula mit, ich werde sie heiraten, Kinder mit ihr bekommen, in einer Fabrik arbeiten und anders leben, in einer Wohnung, in einem Arbeiterviertel, na ja … Natürlich wird es mir in Sevilla nicht so gut gefallen wie hier, aber was soll man machen? So ist das Leben.«
    Ich sagte nichts und wartete darauf, dass er mich ansah, doch er tat es nicht. Während ich beobachtete, wie er die Angelschnur einrollte, die Spule sicherte, die Dosen mit den Haken und Ködern einsammelte, versuchte ich, Paula dafür verantwortlich zu machen. Ich wollte mir einreden, dass jenes absurde Leben, das ihn von mir entfernen würde, nur ein Plan war, eine simple Absicht, ohne irgendeine Frist oder Gewissheit, doch es gelang mir nicht.
    Pepe, der Portugiese, ging fort, ließ mich allein, ein Waisenkind mit Vater und Mutter, ohne den Fluss, die Berge, die müßigen Nachmittage und die Bäder in den tiefen Wasserstellen, unvergessliche Picknicks und vertrauliche Gespräche, die ebenso albern wie transzendental sein konnten. Er ging fort, und er war der wichtigste Mensch in meinem Leben, eine Liebe, die stärker war als die Liebe, trotzdem ging er fort, und gleichzeitig lebte er in mir weiter, denn ich wäre ein anderes Kind, ein anderer Nino, hätte ich ihn nicht mit neun Jahren kennengelernt, als ich nichts weiter als ein Knirps war, der nie etwas Bedeutenderes erlebt hatte, als das Meer zu sehen und sich von seinen Cousins die Schuhe klauen zu lassen, während er am Strand Fußball spielte. Er hatte einen anderen, besseren Menschen aus mir gemacht, er hatte mir gezeigt, was für ein Mensch ich werden, wem ich ähnlich sein wollte. In diesem Moment erschien mir ein Leben ohne ihn unmöglich, und mir dämmerte, dass auch ich wegziehen würde. Eines Tages würde ich von Fuensanta de Martos fortgehen, um fern des Flusses, der Berge, die nun kahl, leer und unbewohnt waren, alle Junggesellentricks anzuwenden, die der Portugiese mir beigebracht hatte. Pepe ging fort, das war eine Tatsache, und ich wusste auch, warum, und obwohl ich nicht einmal daran denken mochte, rechnete ich seit Monaten damit.
    »Du hast hier nichts mehr zu tun.« Ich hätte niemals gedacht, dass der Friede auch für mich so bitter sein könnte. »Deshalb, stimmt’s?«
    »Ja.« Endlich sah er mich an, ein unentschlossenes, wehmütiges Lächeln im Gesicht. »Deshalb.«
    Weil du gekommen warst, um den ersten Cencerro herauszuholen, sagte ich ihm mit geschlossenen Lippen und Augen. Weil du gekommen warst, um mit Sanchís eine Flucht zu organisieren, die schiefgelaufen ist, und dann bist du dageblieben, um jenen zu helfen, die noch oben waren, um den Tod von Comerrelojes und Pilatos zu planen, um die Arbeit der Druckerei zu beaufsichtigen, um mit Hilfe von gut versteckten Büchern die Texte zu schreiben, damit der zweite Cencerro zu Ende führte, was der erste kaum hatte beginnen können. Deshalb warst du gekommen und deshalb gehst du nun fort, weil deine Arbeit hier beendet ist, die Berge leer sind und du hier nicht mehr gebraucht wirst.
    Ich musste nichts sagen, damit er mich verstand, und auch er brauchte keine Worte, um mir recht zu geben. Wir standen beide gleichzeitig auf. Ich weiß nicht mehr, wer den anderen zuerst umarmte, nur, dass wir uns gleich stark umarmten und ich weinte, er

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