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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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Dabei entging mir nicht, wie er, ehe er das Feuer anzündete, eine rote Decke von der Leine nahm, die dort mitten im Juli zum Trocknen hing und anscheinend nichts zu bedeuten hatte. Ich ging in die Vorratskammer, um Holz zu holen, und sah, dass er Kartoffeln und etwas Speck hatte und auf dem Tisch eine Schüssel mit einem Salat aus Tomaten, Zwiebeln, Eiern und Fisch stand, die er selbst hinaustrug, um sie mit uns zu teilen, während die Holzscheite zu Glut verbrannten. Den Salat hatten wir so schnell verputzt, dass wir noch eine ganze Weile warten mussten, bis die erste Portion Chorizo fertig war. Gerade als wir mit der zweiten beginnen wollten, hörten wir einen Motor, der näher kam, und dann einen Schrei.
    »Was geht hier vor!« Ein Hauptmann des Heeres richtete seine Pistole auf uns.
    Als er die Feinde sah, mit denen er es zu tun hatte, einen unbewaffneten Mann und zwei Kinder, die gegrillte Würstchen mit Brot aßen, senkte er die Waffe.
    »Gar nichts.« Pepe stand auf und ging auf ihn zu. »Na ja, wir grillen …«
    »Chorizo, das sehe ich.« Er steckte die Pistole ins Halfter zurück und brummte: »Lassen Sie das gefälligst sein, heute ist kein Tag, um Feuerchen zu machen. Wir haben Sie für Banditen gehalten.«
    »Tut mir leid … daran habe ich gar nicht gedacht.« Der Portugiese war die Unschuld in Person. »Die Kinder waren hungrig, und ich hatte nichts anderes im Haus, und da …«
    »Sind es Ihre Kinder?«
    »Nein, die eines Freundes, Antonino Pérez, von der Guardia Civil in der Kaserne von Fuensanta. Sie sind heute zu Besuch bei mir. Hier ist es schön ruhig, und etwas weiter unten kann man baden.«
    Der Hauptmann warf einen Blick auf uns und rief seinem Kollegen zu:
    »Sempere, komm mal her!«
    Der einzige Feldweg, mit dem man im Wagen bis hierher hinauffahren konnte, endete unvermittelt auf der anderen Seite eines Steilhangs. Von dort tauchte ein Guardia-Civil-Beamter aus Castillo de Locubín auf, den ich, soweit ich mich erinnerte, nur einmal im Leben gesehen hatte. Er aber grinste mir zu, als wäre ich ein alter Bekannter.
    »Zu Befehl, Herr Hauptmann!«
    »Kennst du diese Kinder?«
    »Klar, das sind Antoninos Kinder …«
    »Gut.« Der Hauptmann brachte Sempere mit erhobener Hand zum Schweigen und wandte sich erneut Pepe zu. Dieses Mal war sein Ton fast freundlich. »Na schön, dann essen Sie zu Ende, aber dass Sie mir das nicht nochmal machen, verstanden? Wenn alles ruhig ist, kann nichts passieren, aber wenn es Ärger gibt und wir sehen Rauch auf dem Berg, auch wenn es so weit unten ist, werden wir nervös. Ich habe wenigstens gefragt, aber der nächste vergisst es vielleicht.«
    »Keine Sorge, Herr Hauptmann. Ich werde es beherzigen.«
    »Das will ich hoffen. Guten Appetit.«
    »Möchten Sie mal probieren?«
    Sie waren bereits auf dem Rückweg, doch auf das Angebot des Portugiesen hin machten sie auf dem Absatz kehrt.
    »Nun ja, Lust hätte ich schon.« Zum ersten Mal lächelte der Hauptmann. »Allein der Duft … Aber nein, besser nicht. Wir werden doch den Kindern eines Kollegen nicht die Wurst wegessen, was, Sempere?«
    Sempere nickte ohne große Begeisterung.
    »Tja«, sagte Pepe, als wir drei wieder allein waren. »Ein Glück, dass sie abgelehnt haben, wie?«
    Wir lachten und aßen so viel Chorizo, bis wir satt waren, und als Mutter uns holen kam, hatten wir einen der schönsten Nachmittage unseres Lebens verbracht. Doch ihr Gesicht sagte mir, dass uns eine schlimme Nacht bevorstand.
    Später würde ich mich nur noch an das Ende dieser endlosen, schrecklichen Nacht erinnern, das ebenfalls schlimm, bitter und traurig war, aber nicht so wie das Allerschlimmste. Denn die Wände der Kaserne konnten keine Geheimnisse für sich behalten. In der absoluten Stille, während der Stunden voller Angst, wenn das Grauen einem die Kehle zuschnürte, sogen sich die dünnen, fast porösen Wände voll mit Schreien, schwachem, nutzlosem Protest und Geräuschen von Körpern, die in Ecken aufschlugen, noch mehr Schreien, bekannten Stimmen, die zusammenhängende Sätze sprechen konnten, und dann nur noch Heulen, sinnloses, endloses Kreischen, ein einziger langgezogener Vokal, wild wie das Grunzen von Tieren aus einer anderen Welt, Getöse und der dumpfe Aufprall von Körpern, die umkippten wie Kleiderbündel, wie Möbel, wie Steine. Steine, die schrien, stöhnten, die nur einen einzigen, endlosen Laut von sich geben konnten, und dann folgte eine trügerische friedliche Stille, die von der Stimme des Leutnants

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