Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
Vom Netzwerk:
zerrissen wurde: Nehmt den hier mit und bringt mir den von vorhin. Sein feiner Akzent durchdrang die Wände und erfüllte meine Ohren wie ein Fluch, eine Drohung, die Verheißung auf eine Hölle, die im nächsten Augenblick neu erstehen würde, und dann noch mehr Schreie, noch mehr Schläge, noch mehr Echos eines Schmerzes, der von Mal zu Mal nackter, erschöpfter und gequälter klang. Hört auf, mich zu schlagen, ich weiß doch nichts, ich habe euch gesagt, dass ich nichts weiß, bitte, hört auf damit. Plötzlich hörte ich ein anderes Geräusch, das leichter und trotzdem schlimmer für mich war, Pepas nackte Füße auf den Kacheln. Was ist da los, Nino? Was machen sie, was ist das? Ich kann nicht schlafen. Tränen zitterten in ihrer kleinen Stimme, kaum mehr als ein zu Tode erschrockener, schmutziger Faden. Es ist nichts, Pepica, sie zeigen nur einen Film, und als ich log, klang meine Stimme besser. Sie gucken sich einen Film an, so wie wenige Jahre zuvor Dulce mich belogen hatte, komm her, putz dir mal die Nase. Seitdem hatte ich schon so viele Schläge gehört, dass ich die einen von den anderen unterscheiden konnte. Ist es wirklich ein Film, Nino? Natürlich, was sonst? Ich konnte zwischen Faustschlägen und Tritten unterscheiden. Darf ich bei dir schlafen? Wann sie zusammensackten und wann sie niedergeschlagen wurden. Ja, komm unter die Decke. Ich wusste sogar, was für ein Stoff über den Boden schleifte, ob es eine Hose war oder ein Rock, bis sie gegen eine Wand oder an eine Ecke stießen, die ihnen den Weg versperrten. Komm, wir singen uns was vor, ja? Meine Schwester weinte, und ich hörte alles, wusste um alles, jetzt, da wir langsam gehen , und es war unmöglich, denn die Zellen lagen nicht weit weg, aber es gab Wände, verschlossene Türen, jetzt, da wir langsam gehen , und ich wusste nicht mehr, was ich hörte und was ich mir einbildete, erzählen wir uns Lügengeschichten, tralala , doch als ich an meinen Ohren zu zweifeln begann, erzählen wir uns Lügengeschichten, tralala , fing alles von vorne ab, erzählen wir uns Lügengeschichten, tralala . Hört auf, mich zu schlagen, ich weiß doch nichts, ich flehe euch an, bei eurer Mutter, hört auf damit, übers Meer laufen die Hasen , und das taten sie tatsächlich, sie liefen übers Meer, über die Berge die Sardinen, bis meine Schwester, die sich an meinen Körper klammerte wie eine Schiffbrüchige an ein Brett und endlich einschlief, und ich ganz leise das längste Lied weitersang, das ich kannte, ich verließ mein Lager , nur um meine Stimme zu hören, ich verließ mein Lager, und nicht die meines Vaters, mit einem Bärenhunger, tralala . Was glaubst du? Dass dein Bruder nicht weiß, was hier vorgeht? Mit einem Bärenhunger, tralala . Würdest du ihm etwas bedeuten, würde er doch nicht zulassen, dass dir so etwas passiert, oder? Mit einem Bärenhunger . Warum beschützt du ihn dann? Ich kam zu einem Pflaumenbaum . Warum sagst du uns nicht, was du weißt? Ich kam zu einem Pflaumenbaum . Warum erzählst du uns nicht endlich, wo er steckt? Mit Äpfeln beladen , und noch mehr Gepolter, Körper, die umkippten, erstickte Stimmen, mit Äpfeln beladen , und dann wieder dieser einzige, endlos lange Laut. Ich bewarf ihn mit Steinen, einmal, wieder und wieder, bis alles zu Ende ging. Ich bewarf ihn mit Steinen , die Tränen, die Lieder, und Haselnüsse fielen herunter, tralala, die Wahrheiten und die Lügen, und Haselnüsse fielen herunter, tralala, der Widerstand derer, die schlugen, und derer, die geschlagen wurden, und Haselnüsse fielen herunter, tralala, und ich war immer noch nicht eingeschlafen.
    Danach hörte ich, wie sich im Hof jemand übergab, direkt unter meinem Fenster, und ich dachte, es sei Vater, aber es musste Curro gewesen sein, denn kurz darauf ging die Tür auf, und ich hörte langsame, schwere Schritte, nicht die von Mutter, die in der Küche saß und wie immer auf ihn wartete. Doch dieses Mal sprang sie nicht auf, um ihn zu umarmen, oder kniete sich vor ihn, um ihm die Stiefel auszuziehen.
    »Und, bist du jetzt zufrieden?«, fragte sie nur, in einem Ton, der so rauh und trocken war wie Espartogras.
    »Halt den Mund, Mercedes, ich bitte dich! Heute Nacht möchte ich nichts hören.«
    »Willst du etwas essen?«
    »Nein.«
    »So kann man nicht leben, Antonino, so kann man nicht leben, morgen ist zwar Feiertag, aber übermorgen müssen wir wieder einkaufen, und dann stehe ich mit den Frauen, Müttern und Schwestern derjenigen in der Schlange,

Weitere Kostenlose Bücher