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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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kann man auch nicht gestehen. In meinem Dorf wusste niemand etwas, abgesehen von Vater, der sich in jeder freien Minute seinen Mutmaßungen widmete.
    »Es muss Regalito sein. Er muss es sein, ansonsten …«
    »So ein Unsinn! Wie soll er es sein, er ist doch noch ein Kind.«
    »Von wegen ein Kind, Mercedes! Hör endlich auf, es ist immer dasselbe mit dir! Sein Bruder Laureano war noch jünger, oder etwa nicht? Erinnere dich. Regalito wird jetzt einundzwanzig sein, und er ist der einzige, der in Frage kommt. Pirulete ist nicht auf den Kopf gefallen, aber so viel Grips hat er auch wieder nicht, als dass er sich das hätte ausdenken können, ganz zu schweigen von Salsipuedes. Saltacharquitos … Ich weiß nicht. Er ist zwar entschlossen und ein übler Kerl, aber … Regalito, der ist schlau, das war er schon immer, nicht?«
    »Weißt du was? Ich glaube, dass es der Neue ist, der, den sie den schönen Antonio nennen. Glaub mir.«
    »Der schöne Antonio! Der schöne Antonio!«, äffte Vater sie spöttisch nach und verdrehte die Augen, denn allein die Erwähnung des Namens brachte ihn zur Weißglut. »Ihr Frauen seid wirklich strohdumm, Mercedes, euch ist einfach nicht zu helfen! Der schöne Antonio kann nicht Cencerro sein, weil es den schönen Antonio gar nicht gibt. Das müsste doch irgendwann in deinen Kopf gehen.«
    »Pah! Bloß weil du das sagst, was? Paquita Miracielos hat mir erzählt, eine Bekannte von ihr hätte ihn neulich Nacht in einem Hof gesehen, und er ist …« Sie küsste die fünf Fingerspitzen ihrer rechten Hand. »Nur dass du es weißt.«
    »Ah! Ja? Und wer war die Glückliche, wenn ich fragen darf?«
    »Ausgerechnet mir wird sie es verraten! Damit ich es dir erzähle und du mit Romero hingehst, um sie festzunehmen …«
    »Hör zu, ich will dir etwas sagen.« Wenn er ernst wurde, schob er den Stuhl nach hinten, damit das Kreischen der Stuhlbeine seine Frau noch vor seinen Worten auf die Palme brachte. »Die Sache hier ist, dass es zu wenige junge Männer gibt. Darum geht es. Denn die Hälfte der Männer ist in den Bergen, und die Frauen der Roten gehen mit den Rechten nicht ins Bett, deshalb sind sie dermaßen in Wallung, dass sie anfangen zu phantasieren. Paquita Miracielos wird nochmal vor Geilheit platzen.«
    »Antonino!« Mutter zog ein entsetztes Gesicht, ehe sie ihre Losung aussprach, die Vater, ohne dass wir es mitbekamen, daran erinnern sollte, dass Kinder anwesend waren, obwohl selbst meine kleine Schwester Pepa längst dahintergekommen war. »Es hängt noch Wäsche auf der Leine.«
    Er machte weiter, als wäre er der einzige, der die Anspielung seiner Frau nicht verstanden hatte.
    »Cencerro ist Regalito, und damit basta. Niemand sonst kommt in Frage.«
    Als die Experten aus Jaén sich eingestehen mussten, dass sie mit ihren traditionellen Methoden nicht weiterkamen, egal wie raffiniert und ausgekocht sie waren, dämmerte ihnen, dass sie es mit einer neuen Lage in einem neuen und alten Krieg zu tun hatten. Daraufhin kamen andere aus Madrid, sogar ein Kommissar der politischen Brigade, der anscheinend sehr berühmt war. Bestimmt wegen seiner Ohren, kommentierte Mutter, die sind so groß, als hätte er sich an jede Gesichtshälfte ein Schweinekotelett gepappt. Doch Vater sagte nein, er habe mehrere Orden für die Zerschlagung unzähliger kommunistischer Untergrundgruppen bekommen. Das musste in Madrid gewesen sein, denn in meinem Dorf biss er auf Granit.
    Berg und Tal atmeten im selben Takt, dieselbe Luft, und die von oben stiegen hinunter, um ihre Frauen und Kinder zu besuchen und gelegentlich in ihren Betten zu schlafen, und die von unten stiegen manchmal hinauf in die Berge, die Frauen als Männer verkleidet, damit niemand sie erkannte, und alle behaupteten aus diesem oder einem völlig entgegengesetzten Grund mit erhobener Stimme, dass diese Begegnungen gar nicht stattgefunden hätten, nur Gerüchte seien oder eine Legende. Trotzdem wussten wir alle, dass sie sehr wohl stattfanden, und zählten die unbefleckten Empfängnisse der alleinstehenden Frauen, die keinen Schritt aus dem Haus machten, all dieser anständigen Frauen, die erröteten, wenn sie eine Unverfrorenheit vortäuschten, die sie nicht besaßen, und stotterten, als wäre ihnen die Zunge im Weg, wenn sie ihren Nachbarinnen erzählten, dass sie es nicht länger ausgehalten hätten und mit einem fahrenden Händler ins Bett gegangen wären. Alle, außer Carmen la Rosa, Cencerros Frau. Als sie zur Witwe wurde, saß sie bereits sechs

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