Der Feind meines Vaters - Roman
Jahre im Gefängnis, weil sie die Wahrheit gesagt hatte.
»Noch so etwas.« Mutter ließ keine Gelegenheit aus, ihn mit lauter Stimme daran zu erinnern. »Dass ihr eine Frau ins Gefängnis steckt, nur weil sie anständig ist!«
»Sie sitzt nicht deshalb im Gefängnis, Mercedes, sondern wegen Verbreitung subversiver Propaganda.«
»Subversiver Propaganda? Zu behaupten, man sei mit seinem eigenen Mann ins Bett gegangen, ist subversive Propaganda? Und was ist, wenn man ihm Hörner aufsetzt? Unterstützt man dann etwa Franco? Aber klar, das viele Beten, all die Messen und dann …«
»Halt den Mund, Mercedes, du weißt ja nicht, was du sagst.«
»Pah! Ich halte nicht den Mund, dazu habe ich keine Lust! Das einzige, was la Rosa verbrochen hat, war, zu behaupten, dass sie von ihrem Mann schwanger war. Ist das ein Grund, um im Gefängnis zu landen? Wenn eine anständig ist, den eigenen Mann liebt und mit ihm schläft, Antonino?« Vater traute sich nicht zu antworten, und sein Schweigen spornte sie noch mehr an. »Die Kleine hat sehr gut daran getan, zum einen, weil sie die Wahrheit gesagt hat, und dann, na ja, ihr hättet euch mal hören sollen, wie ihr über ihn gespottet habt.«
Schon seit Wochen hatte sich Carmen la Rosa nicht mehr im Dorf blicken lassen, als sie 1941 bei einer Razzia in Castillo de Locubín von der Guardia Civil aufgegriffen wurde. Sie war im achten Monat schwanger. Als man sie im Wachbüro der Guardia Civil verhörte, erklärte sie erhobenen Hauptes, das Kind sei von Cencerro. »Von wem sonst?«, fügte sie hinzu. Seitdem hatte sie keinen Fuß mehr auf die Straße gesetzt. Sie brachte ihren einzigen Sohn im Gefängnis zur Welt und taufte ihn Tomás nach seinem Vater, so weit war sonst keine gegangen. In meinem Dorf galten die Frauen lieber als Ehebrecherinnen und blieben hartnäckig dabei, selbst wenn sie wenige Monate später einen Jungen zur Welt brachten, der seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten war.
1947 wussten wir alle, wie die Dinge in der Sierra Sur waren, bis jener Kommissar mit leeren Händen abreiste, so wie die leeren Lastwagen vor ihm. Man kann nichts erzählen, wenn man nichts weiß, und wenn in meinem Dorf niemand etwas wusste, so lag es daran, dass sich in den Bergen niemand verplapperte. Und weil nur jemand, der extrem klug ist, eine derartige Frechheit mit extremer Vorsicht verbindet und sich nicht zu erkennen gibt, nicht einmal vor seinen Freunden, war Vater davon überzeugt, dass Regalito der neue Cencerro aus Fuensanta de Martos war.
»Und natürlich hat er sich den Bürgermeister von Alcaudete ausgesucht!« Je öfter er es sagte, umso überzeugter war er. »Ein anderer hätte es nicht getan, schließlich ging es darum, das Gemetzel von letztem Weihnachten zu rächen. Das Geld spielte nur eine untergeordnete Rolle, sie hätten auch einen anderen überfallen können, jeden, der Geld hatte, aber nein! Es musste jemand aus Alcaudete sein, am allerbesten der Bürgermeister, damit auch jeder weiß, dass es in den Bergen einen neuen Anführer gibt.«
»Und was ist mit diesem Kerl, den sie Pleitista nennen?«, fragte Mutter in letzter Verzweiflung, nachdem der schöne Antonio nicht mehr in Frage kam, und mit einer Sturheit, die ich mir nicht erklären konnte. Carmela Pesetilla waren nur zwei ihrer fünf Söhne geblieben, Regalito und ihr Ältester, Fernando, der in der Nähe von Sevilla im Gefängnis saß und am Kanal von Guadalquivir Zwangsarbeit leisten musste. »Hast du nicht gesagt, dass der sehr viel zu sagen hätte?«
»Ja, aber der ist aus Alcalá.«
»Na und? Warum muss er denn unbedingt aus Fuensanta kommen? Die haben doch keine Ahnung, woher wollen sie dann wissen, dass er von hier ist?«
»Sie wissen es eben.«
»Tja … dann könnte es ja auch Cristobita sein, der hier aufgewachsen ist, aber in Lopera geboren wurde.«
»Wer?« Vater zog die Brauen zusammen, als könnte er die Dorfbewohner nicht mehr an ihren richtigen Namen erkennen. »Ach, Pocarropa! Aber nein … Der ist zwar sehr mutig, aber unbesonnen, außerdem lebt er schon sehr lange dort oben, von Anfang an, und ist uns nie aufgefallen. Nein, es muss Regalito sein, wenn ich es dir sage, außerdem war er es, der …«
»Der was?«
»Ach nichts, vergiss es.«
Don Eusebio, der Lehrer, sagte immer, Regalito, Sohn einer Verbindung zwischen einem Cousin und einer Cousine zweiten Grades, wäre der beste und zugleich schlechteste Schüler gewesen, den er jemals gehabt hätte. Der beste, weil sein
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