Der Feind meines Vaters - Roman
Flüsse Spaniens auf und noch vieles andere, sogar über den heiligen Anselm wusste er Bescheid, und das, obwohl sie bei ihm zu Hause alle Atheisten waren und Elías nie am Religionsunterricht teilgenommen, ja nicht einmal rechtzeitig die erste Kommunion empfangen hatte. Don Eusebio war Lehrer, und nun stand ein vierzehnjähriger Junge vor ihm, der alles wusste, deshalb konnte er sich nicht weigern, er konnte ihn nicht ablehnen. »Na gut«, sagte er schließlich, »komm morgen Nachmittag zu mir, dann sehen wir weiter.« In den nächsten Monaten arbeiteten sie so viel, dass Don Eusebio ihm den Spitznamen gab, Regalito, der den seines Vaters für immer ablösen sollte, und wenn ihn jemand nach dem Grund fragte, antwortete er, Elías sei tatsächlich ein kleines Geschenk, wie der Name schon sagte, aber das klein sei relativ, und dann lachten beide.
Nun konnten die Dorfbewohner beobachten, wie sie jeden Abend die alte Straße hinauf- und wieder hinunterspazierten, mit einem Buch, das im Rhythmus der Fragen und Antworten den Besitzer wechselte. Don Eusebio, der mittlerweile über fünfzig sein musste, in Anzug und Krawatte, Regalito sauber und gekämmt, mit einem anderen Hemd als das, welches er bei der Arbeit auf dem Feld trug, und es war, als würden sie des Gehens und Sprechens niemals müde, denn manchmal überraschte sie die Nacht, als hätten sie jedes Gefühl für die Zeit verloren.
Don Eusebio hatte seinen besten Schüler gefunden und Regalito den Lehrer, den er brauchte, doch es waren janusköpfige, komplizierte Zeiten, erfüllt von scheinheiligem Lächeln und steinernem Schweigen, und es galt die Parole: Rette sich, wer kann. Zeiten, in denen man von Glück reden konnte, wenn man am Morgen in einem Bett aufwachte und abends heil und gesund wieder hineinschlüpfen konnte, beides ein Triumph. Wollte man das schaffen, musste man sich dem Terror beugen, das Leben auf ein Minimum beschränken und nichts tun, nichts wissen, nichts sagen, musste man sehen, ohne etwas zu erkennen, hören, ohne etwas zu verstehen. So lautete die goldene Regel. Möglich, dass es in den Städten anders war, aber in einem Dorf wie Fuensanta de Martos war dieses bisschen Leben, dieses gefühllose Sein, die einzige Möglichkeit der Menschen, auf ein Überleben zu hoffen, das nicht einmal dann garantiert war. Möglich, dass ein Junge wie Regalito in der Stadt eine Zukunft gehabt hätte. Möglich, dass er weiter zur Schule hätte gehen, seine Reifeprüfung bestehen, die Universität besuchen, einen Abschluss machen können, möglich. In meinem Dorf war all das unmöglich, und er wusste es, obwohl er an dem Tag, an dem er alles aus dem Fenster warf, bestimmt nicht darüber nachdachte.
Der Sommer 1941 nahte, und es war brütend heiß. Das weiß ich, weil Mutter es mir erzählte. Alles andere erfuhr ich später, als ich anfing, an drei Nachmittagen in der Woche zum Hof der Rubias zu gehen. Doña Elena wusste es, weil Señorita Rosa es ihr erzählt hatte, die damals noch die Mädchen in der Schule unterrichtete und anwesend war, als Regalito auf dem Stuhl hin und her rutschte, wie von einer Wespe gestochen. Don Eusebio bekam es nicht mit, weil er gerade dabei war, mit dem Sohn von Potajilla zu schimpfen, der an diesem Tag in der Sommeruniform der Armen in meinem Dorf erschienen war: kurze Hose mit einem einzigen Träger, der diagonal über eine Schulter führte, und mit nackter Brust, denn seine Mutter hatte das einzige Hemd weggepackt, um es zu schonen und damit er im nächsten Winter etwas zum Anziehen hatte.
»Halten Sie es für angebracht, mit nacktem Oberkörper in die Schule zu kommen, Señorito?« Severino el Potajillo war sehr klein, nicht älter als sechs oder sieben und verstand weder, warum der Lehrer ihn siezte, noch warum er mit ihm schimpfte. »Dann bestellen Sie Ihrer Mutter, dass es mir, im Gegensatz zu ihr, keineswegs egal ist, ob Sie anständig angezogen zur Schule kommen oder nicht, und dass ich Sie in dieser Aufmachung nicht in meinen Unterricht aufnehmen werde. Ist das klar?« Es konnte gar nicht klar sein. Da der Junge nichts begriff, heulte er los. Damit hatte Regalito etwas entdeckt, das er nicht erwartet hatte. Er kam sonst nie zur Schule, weil er morgens auf den Feldern arbeiten musste, doch mit dem Näherrücken der Prüfung hatte Don Eusebio Pesetilla überredet, ihm an diesem Tag freizugeben, und hatte ihn an ein Pult abseits der anderen Schüler neben seinem eigenen Tisch gesetzt. Señorita Rosa hatte die Fragen
Weitere Kostenlose Bücher