Der Feind meines Vaters - Roman
Verstand so schnell und geschickt war wie die Finger eines Taschenspielers und Zusammenhänge blitzschnell begriff, aber erst, nachdem er sie zerlegt und von A bis Z verstanden hatte. Der schlechteste, weil er der einzige war, den er von der Schule hatte verweisen müssen, und das wegen einer solchen Dummheit, pflegte er hinzuzufügen, dass er ihm keine Träne nachweinte.
Don Eusebio war während der Zeit der kahlgeschorenen Frauen und der Tänze auf den Friedhöfen in unser Dorf gekommen, als man die aus meinem Dorf zum Erschießen nach Martos brachte, die aus Martos nach Torredonjimeno, die aus Torredonjimeno nach Los Villares und die aus Los Villares in unser Dorf. Don Eusebio stammte aus einem Nest in Palencia, wo man erst aus der Zeitung erfahren hatte, dass in Spanien ein Bürgerkrieg tobte. Vielleicht bekam er deshalb nichts mit, sah nichts, hörte nichts von dem, was sich im Morgengrauen abspielte. Von den Lastwagen, die sich auf der Straße begegneten, den Schüssen, die von den Wänden widerhallten, den hastigen Schritten der Frauen, die anschließend kamen, um die Leichen zu bergen, sie fast nie fanden und dann erschöpft und langsam nach Hause zurückkehrten, mehr tot als lebendig. Das hatte ihm Regalito vorgeworfen, denn er hatte bei einem dieser Ausflüge einen Bruder verloren, woraufhin ihm der Lehrer sagte, er solle sich nie wieder in der Schule blicken lassen.
Damals war Regalito nicht nur sein bester Schüler, sondern auch der eigenartigste. Pesetillas Sohn, der damals noch Elías hieß, hatte die Schule nur wenige Jahre besucht, als er noch klein war, und dann bloß noch nachmittags an den kostenlosen Unterrichtsstunden teilgenommen, die der Lehrer, der vor dem Krieg dagewesen war, in der Casa del Pueblo erteilte, bis beide eingesehen hatten, dass er dort nur seine Zeit vergeudete. Anschließend lernte er auf eigene Faust. Der Lehrer gab ihm Bücher mit, sprach mit ihm, klärte seine Zweifel, fragte ihn ab und begleitete ihn jedes Jahr im Juni nach Jaén, wo sein Schüler am Instituto de la Virgen del Carmen die Prüfung ablegte und stets glänzend bestand. Bis alles unterging, bis man den Lehrer wie so viele andere im Friedhof von Martos an die Wand stellte und Regalito törichterweise versuchte, aus dem sinkenden Schiff zu retten, was zu retten war.
Als er ihn eines Sonntags nach der Messe vor der Kirche ansprach, war Don Eusebio so überrascht gewesen, dass er kaum reagieren konnte. Damit hatte er nie gerechnet, kein Mensch hätte Derartiges von einem Jungen wie ihm erwartet, von einem Unsichtbaren aus einer Familie von Unsichtbaren, aus der auffälligen Kaste derjenigen, die danach strebten, wie Schatten zu leben. Schemenhafte Männer und Frauen, die gegen ihren Willen einen Körper besaßen und alles dafür getan hätten, mit einem Chamäleon zu tauschen, um sich in eine Wand zu verwandeln, wenn sie an einer vorbeigingen, oder in Holz wie die Stämme der Bäume, oder sich in Luft aufzulösen, wenn sie eine Straße überquerten, damit niemand sie erkannte oder sich daran erinnerte, dass es sie gab, und niemand auf die Idee kam, in gewissen Häusern ihre Namen auszusprechen, in gewissen finsteren Nächten, die um ein einziges Wort herum immer dichter, immer rötlicher, rauher und schärfer wurden: Strafaktion. Niemand hatte mit so etwas gerechnet, aber Elías ging auf Don Eusebio zu, stellte sich vor und erklärte, er wolle seine Reifeprüfung machen, könne es aber nicht allein. »Ich darf mich nicht auf eigene Faust zur Prüfung anmelden, ohne dass der Lehrer davon weiß, aber wenn Sie mich anmelden würden …« Mittlerweile hatte sich eine Traube von staunenden, neugierigen Nachbarn um sie versammelt, darunter auch Mutter mit mir auf dem Arm. Sie sollte sich noch oft laut daran erinnern, was jetzt folgte. Don Eusebio blickte sich stumm um und sah Elías an, dann wieder nach rechts und links, auf den Boden, zum Himmel und fand schließlich einen Ausweg aus der Bredouille, mit der niemand gerechnet hatte und die auch niemand verstand, abgesehen von dem, der in ihr steckte.
»Der Dreißigjährige Krieg«, sagte er nur, und laut Mutter legte Elías los und erzählte ihm alles. Wann er begonnen, wann er geendet hatte, warum er ausgebrochen war, wer darin gekämpft hatte, und eine Unmenge von Schlachten. Danach fragte Don Eusebio Mutter zufolge, was n hoch zwei oder so ähnlich sei, woraufhin Elías antwortete, das sei die Formel für eine sehr seltsame Sache, und danach zählte er sämtliche
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