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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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gehen. Ich aber war wegen der Maus in den Bergen und der Katze in der Kaserne schon viel zu lange im Haus eingesperrt gewesen, ohne auch nur in den Hof zu dürfen, und als ich sie schnarchen hörte, den Wonnen der Siesta hingegeben, die mich nie gereizt hatten, wartete ich noch eine Viertelstunde und kletterte dann aus dem Fenster in der Mitte des Kinderzimmers, dazu war es schließlich da.
    »Wo willst du hin?«
    Wenn er keinen Dienst hatte, war Curro der einzige, der mich gehen sah. Er war unsterblich verliebt in Isabel Mariamandil, Doña Augustinas’ Enkelin, ein verschwiegenes, zurückhaltendes Ding, das aussah wie eine Nonne, viel älter wirkte, als es war, und ihm nie einen Grund zur Hoffnung gab. Isabel war zwanzig, lebte aber wie eine alte Frau, verbrachte den ganzen Tag auf dem Gehöft, wo sie ihre Großmutter pflegte, und kam praktisch nie ins Dorf. Sie traf sich nicht mit Freundinnen, trug weder Schuhe mit Absätzen noch Schleifen im Haar und ging nie zum Tanzen oder ins Kino. Wir alle waren davon überzeugt, dass es ihr nichts ausmachte, ein Leben lang unverheiratet zu bleiben, und deshalb verbrachte ihr Verehrer die Nachmittage seufzend in der Kaserne. Er nutzte die Hitze, bei der selbst der Leutnant sich ins Schlafzimmer zurückzog, um gegen die Anstandsregeln im gemeinsamen Wohnquartier zu verstoßen, indem er eine Hängematte aufhing. Ein Ende befestigte er an der Fassade seiner Wohnung und das andere an einem Stützpfeiler der Arkade, die um den Innenhof führte. Dort lag er auch jetzt im Schatten, las seine Westernromane und blickte träge auf, als ich an ihm vorbeiging.
    »Zum Fluss, baden«, antwortete ich leise, damit niemand aus meiner Familie mich hörte.
    »Irgendwann wirst du noch in der Sonne schmelzen, Knirps.«
    »Pssst!« Ich legte den Finger an die Lippen, obwohl ich wusste, dass er mich nicht verraten würde, und beschleunigte meinen Schritt. »Bestimmt nicht.«
    Ich schmolz nicht, aber als ich die Hälfte der steilen Strecke hinter mir hatte, kam es mir fast so vor. Das Hemd war viel zu heiß, doch wenn ich es auszog, würde mich die Sonne verbrennen. Die Knöchel wurden schwer wie Blei, und die Ränder meiner Bastschuhe schnitten in den Spann der geschwollenen Füße, sodass jeder Schritt zur Qual wurde. Die Versuchung, nicht bis ganz oben zu gehen, mich einfach in den Schatten eines Baumes zu legen und reglos darauf zu warten, dass es abkühlte, wurde immer stärker, doch ich widerstand ihr. Ich dachte an die Wonne, die ich empfinden würde, wenn ich in das kühle Wasser glitt, und an die imaginäre Dampfwolke, die bei der Berührung mit dem kalten Wasser aus den Bergen aufsteigen würde. Und so gelang es mir, mehr mit Hilfe der Phantasie als der Beine, bis oben zu kommen. Danach musste ich nur noch ein paar letzte Meter im Schatten der Bäume hinunterlaufen und mich rasch ausziehen. Ich ging immer ganz langsam ins Wasser und sparte mir den Kopf für zuletzt auf, weil ich ihn gern mit nassen, eisigen Händen berührte, wenn er noch heiß war, ehe ich ganz eintauchte. Manchmal erschien der Portugiese in Unterhosen, als wollte er mir zeigen, dass wir aus demselben Holz geschnitzt waren. Über der Schulter trug er ein Handtuch und auf den Lippen ein Lächeln, welches besagte, dass die Wasserstelle zwar ihm gehörte, er aber nichts dagegen hatte, sie mit mir zu teilen. Doch an diesem Nachmittag war er bereits im Wasser.
    »Ich bin schon seit zwei Uhr hier«, sagte er. Mit ausgestreckten Beinen auf einem Stein im Wasser sitzend, den Rücken an einem glatten Felsen gelehnt, sah er aus wie ein Kaiser auf seinem Thron. »Meine Finger sind runzelig wie Kichererbsen, aber bei der Hitze …«
    Als wir schließlich aus dem Wasser gingen, sah auch ich wie frisch gekochtes Gemüse aus, und was noch besser war, ich zitterte vor Kälte. Ich legte mich in die Sonne, und nach zehn Minuten war mir wieder glühend heiß. Noch weitere fünf Minuten, und schon ging ich wieder ins kalte Wasser, heraus und hinein, immer wieder, bis der Portugiese diesen Teufelskreis mit einer seiner tollen Ideen unterbrach.
    »Ich habe Hunger.« Bei seinen Worten hörte ich auch meinen Magen knurren. »Sollen wir hochgehen und was essen?«
    Seit wir die Würste gegrillt hatten, die eine Militärpatrouille auf den Plan gerufen hatten, waren die nachmittäglichen Imbisse zu einem festen Bestandteil meiner Besuche in der alten Mühle geworden, obgleich es nie wieder etwas so Leckeres gegeben hatte. Aber Pepes Vorratskammer

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