Der Feind
leiden.
Sein Halbbruder gab der Forderung nach, doch um daheim das Gesicht zu wahren und das Gleichgewicht zwischen den zerstrittenen Prinzen aufrechtzuerhalten, übertrug er Prinz Muhammad das wichtige Amt des Ministers für Islamische Angelegenheiten. Was die Machtfülle betraf, konnte man diesen Posten nicht mit dem des Innenministers vergleichen, doch man konnte in diesem Amt auf andere Weise einen immensen Einfluss ausüben. Öl war das Blut Saudi-Arabiens, doch der Islam war das Herz des Landes. Die königliche Familie konnte ohne den Rückhalt der Geistlichen in Mekka und Medina nicht regieren, und die Geistlichen betrachteten die engen Beziehungen des Königs zu Amerika mit immer größerer Skepsis. Muhammad wusste, dass er den Männern des Glaubens zeigen musste, dass er ein Mann der Tat war – jemand, der bereit war, den Amerikanern die Stirn zu bieten.
Es würde ihm große persönliche Genugtuung bereiten, zum Tod eines nichtswürdigen Ungläubigen wie Mitch Rapp beigetragen zu haben, doch Rapps Tod würde ihm auch rein strategisch gesehen nützen; nicht nur die Geistlichen, sondern auch die anderen Angehörigen des Königshauses würden erkennen, dass Muhammad bin Rashid ein großer Bewahrer des Islam war und kein nachgiebiger Idiot wie der König. Dass er etwas mit dem Mord zu tun hatte, durfte jedoch erst nach einer gewissen Zeit an die Öffentlichkeit gelangen. Prinz Muhammad war neunundfünfzig Jahre alt und bei guter Gesundheit. Er konnte leicht noch fünf Jahre zuwarten und dafür sorgen, dass die Unterstützung für den König weiter schwand. Wenn der Moment kam, würden ihn die Geistlichen unterstützen, dessen war er sich sicher. Sie wollten Rapps Tod viel mehr als er selbst, und sie würden dankbar sein, dass ein Angehöriger des Königshauses schließlich das Schwert in die Hand genommen hatte, um den Islam zu verteidigen. Für den Augenblick musste er jedoch gute Miene zum bösen Spiel machen und so tun, als würde er die Amerikaner mögen.
Prinz Muhammad bin Rashid trat aus dem Flugzeug in die spätnachmittägliche Sonne hinaus. Er war, so wie der König, mit dem traditionellen weißen Gewand bekleidet. Wer ihn nicht kannte, hätte ihn kaum von seinem Halbbruder, dem König, unterscheiden können, vor allem, wenn er, so wie jetzt, eine Sonnenbrille trug. Beide Männer waren etwas über einen Meter achtzig groß und hatten rabenschwarze Bärte. Die Ähnlichkeit zwischen den beiden Männern sorgte manchmal für eine gewisse Verwirrung – so auch in diesem Augenblick, als die Würdenträger und Fotografen auf dem roten Teppich am Fuße der Treppe warteten. Prinz Muhammad stieg mit einem angedeuteten Lächeln hinunter und sah, wie einer der Protokollbeamten des Königs verzweifelt auf die letzte Maschine zeigte, die gerade etwas weiter hinten zum Stillstand kam.
Prinz Muhammad genoss das Spektakel und schritt langsam die Treppe hinunter. Als er vor dem Kommandanten des Stützpunktes stand, der ihn empfing, ergriff er die Hand des Mannes mit beiden Händen und lobte die Militärkapelle in überschwänglichen Worten. Dabei behielt er stets den Protokollbeamten des Königs im Auge und genoss es, zu sehen, wie der Mann zu zittern begann. Schließlich legte der Kommandant des Stützpunkts Prinz Muhammad eine Hand auf den Rücken und geleitete ihn zu seiner Limousine.
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U.S. STATE DEPARTMENT
Irene Kennedy stand in einer Ecke des John Quincy Adams State Drawing Room und hielt ihr Glas Chardonnay in der Hand, während zwei Diplomaten des Außenministeriums ihr eine andere Politik gegenüber Nordkorea schmackhaft zu machen versuchten. Sie wussten, dass der Präsident schließlich seinen Kurs ändern würde, wenn sich die CIA-Direktorin auf die Seite der Außenministerin schlug. Doch dazu würde es nicht kommen. Sie hörte den beiden höflich zu, obwohl sie in allen Punkten anderer Ansicht war. Der nordkoreanische Staatschef war unberechenbar, und an diesem Befund konnte nichts, was die beiden Diplomaten sagten, etwas ändern. Bilaterale Gespräche wären reine Zeitverschwendung gewesen. China, Japan und Südkorea mussten ebenfalls am Verhandlungstisch sitzen – schließlich ging es um ihre Region. Dr. Kennedy war nahe daran, den beiden stolzen Absolventen von Eliteuniversitäten zu verraten, dass sie dem Präsidenten insgeheim geraten hatte, den Chinesen ein Ultimatum zu stellen; wenn sie nicht bald etwas unternahmen, um Nordkorea zur Vernunft zu bringen, würden die USA Japan helfen, ein
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